Der Mensch ist nur unter Menschen ein Mensch
Ein besonderes Wochenende in Ouro-Lawane
Unsere Pfarrei St. Agnes war Gastgeber für den 48. Kongress der „Christlichen Vereinigung der Moundang“ in der Erzdiözese Garoua. Das Volk der Moundang stammt ursprünglich aus dem äußersten Norden Kameruns. Im Laufe der Geschichte haben Einzelne das Siedlungsgebiet verlassen und sind in andere Landesteile gezogen. Wie den Moundang geht es Menschen vieler Volksgruppen in Kamerun. Sie leben außerhalb ihrer Heimat. So auch bei uns in der Erzdiözese Garoua.
Die katholischen Moundang haben sich bereits im Jahr 1976 zur „Association Chrétienne Moundang“, also zur „Vereinigung der christlichen Moundang“, zusammengeschlossen. Anfang des Jahres durften wir nun 600 Mitglieder dieser Gruppe zu einem Wochenende in unserer Gemeinde begrüßen.
Auf der Tagesordnung standen Bibelteilen, Katechesen und Zeiten der persönlichen Reflexion. Es gab auch ein Unterhaltungsprogramm und die Möglichkeit zum persönlichen Kennenlernen. Ein feierlicher Sonntagsgottesdienst beendete das Treffen, bei dem auch der Vorstand des Vereins erneuert wurde.
Eine neue Erfahrung
Für mich sind solche ethnischen Vereinigungen in der Kirche eine neue Erfahrung. Ich komme aus Zentralkamerun. Dort gibt es zwar auch viele unterschiedliche ethnische Gruppen, sie sind aber kirchlich nicht eigens organisiert. Hier sieht das anders aus.
Die Gemeinschaft der Kirche besteht aus vielen kleinen Gemeinschaften. Im französischsprachigen Afrika kennen wir den Ausdruck „Communautés Ecclésiales Vivantes de Base“ (CEVB), was mit „Lebendige kirchliche Basisgemeinschaften“ übersetzt werden kann. Das sind Gruppen vor Ort, die gemeinsam beten, die Heilige Schrift lesen und christlich in ihrem Umfeld wirken.
Dann gibt es Gruppen der katholischen Verbände und Bewegungen. Neben diesen verschiedenen Gruppen vor Ort und auf Niveau der Erzdiözese sind bei uns viele Gemeindemitglieder noch zusätzlich in kirchlichen Stammesgruppen organisiert.
Alleine in unserer Pfarrei gibt es mindestens zehn ethnische Gemeinschaften: Moundang, Guidar, Toupouri, Fali, Mafa, Mufu, Daba, Lame, Guiziga, Ngambaye und die „große Familie des Südens“. Der letztere Begriff hat mich anfangs etwas amüsiert. Gemeint sind damit Menschen der südlichen Provinzen Kameruns, die zwar verschiedenen Ethnien angehören, sich aber zusammengeschlossen haben, weil die eigenen Ethnien zu klein wären, um eine eigene Gruppe zu gründen.
Besonders junge Leute sind sehr aktiv, wenn es um ihre Aktivitäten nach Ethnien geht. Ich hatte bei dem besagten Wochenende die Gelegenheit, die Gruppe der „jungen Moundang“ zu treffen. Für viele ist es nicht leicht, die vielfältigen Aktivitäten in den Alltag zu integrieren. Als engagierte Christen beteiligen sie sich sozusagen dreifach am kirchlichen Leben. Sie nehmen am Gemeindeleben teil, sind Mitglied einer größeren christlichen Bewegung und wollen auch im Kreis ihrer christlichen Schwestern und Brüder der eigenen Ethnie aktiv sein.
Dynamik für das Gemeindeleben
Die ethnischen Vereinigungen bringen viel Dynamik in das Leben der Pfarrgemeinde. Das zeigt sich vor allem bei Festen und Veranstaltungen wie dem Erntedankfest. Aber auch bei sehr praktischen Fragen sind sie von Bedeutung. Unsere Pfarrkirche beispielsweise ist immer noch eine Baustelle.
Der Beitrag der ethnischen Gruppen zu diesem großen Projekt ist für unsere Gemeinde unerlässlich. Auch die Sonntage sind stark durch die Ethnien geprägt. Nach dem Gemeindegottesdienst, den wir immer um 8.30 Uhr feiern, versammeln sich die Gläubigen in ihren ethnischen Gemeinschaften. Bei ihren Treffen beschäftigen sie sich mit dem Wort Gottes. Sie tauschen sich beim Bibelteilen über ihren Glauben aus, verbessern ihr Wissen mit Bibelunterricht oder Bibelquiz. Auch gegenseitige Unterstützung und Hilfe gehört zum Zusammenleben der kirchlichen Stammesgruppen dazu.
Teil einer Gemeinschaft zu sein, ist wichtig für die menschliche Entwicklung. Der Philosoph David Hume hat es einmal etwa so formuliert: „Der Mensch ist nur unter Menschen ein Mensch“. Die ethnischen Vereinigungen sind Lebensgruppen. Ihre Präsenz bringt jedoch auch einige Herausforderungen mit sich.
Herausforderungen der ethnischen Vereinigungen
Viele Pfarrer in unserer Diözese berichten von sehr ähnlichen Schwierigkeiten im Gemeindeleben. Es kommt vor, dass eine ethnische Gruppe am Sonntag ein eigenes Programm aufstellt und deshalb der Gemeinde an diesem Tag fernbleibt, ohne das vorher mit den Gemeindeverantwortlichen abzusprechen. Auch bei unserem Wochenendtreffen waren Gruppen aus Gemeinden anwesend, die dann natürlich am Sonntag in der Heimatpfarrei gefehlt haben, das aber zeitlich sehr kurzfristig mitgeteilt haben.
Trotz mancher Abstimmungsschwierigkeiten legen wir den ethnischen Gruppen keine Hindernisse in den Weg. Es ist eine Freude, sich zu versammeln. Für die Menschen bei uns ist es noch freudiger, wenn sie ihre „Dorfbrüder- und -schwestern“ wiedersehen können. Die Kirche bietet dabei die Struktur, die solche Treffen möglich macht. Die Seelsorger haben deshalb die Gruppen im Blick und versuchen sie in das Leben der Gemeinden vor Ort zu integrieren.
Als Oblate aus dem südlicheren Teil Kameruns habe ich gelernt, dass Christen im Norden sich nicht innerhalb ihrer ethnischen Gruppen treffen, um zu spalten, sondern dass sie im Gegenteil eine Kraft in der Kirche bilden. Das gilt es zu fördern.