
Pause drücken – Probleme lösen
Es gibt Situationen, da läuft alles auf einmal schief. Eine Frau ist alleinerziehend, hat zwei Kinder – plötzlich tritt in ihrer Wohnung ein massiver Wasserschaden auf. Sie muss die Wohnung verlassen. Sie hat wenig Geld, findet auf die Schnelle keine neue Bleibe. Also geht sie mit den Kindern in eine Obdachlosenunterkunft. Ständig werden neue Frauen in ihre Wohnung einquartiert, die Kinder haben hier keine Ruhe und keinen Schutzraum. Ein unhaltbarer Zustand.
Dann kommt die kleine Familie im Ulrika Nisch-Haus unter. Dort finden sie buchstäblich einen geschützten Raum, sich neu zu orientieren.
Sel. Ulrika Nisch
Ulrika Nisch wurde als uneheliches Kind am 18.09.1882 in Mittelbiberach geboren. Ihre Herkunft wird ihr ganzes Leben prägen, denn eine uneheliche Herkunft war damals ein Makel.
1904 trat sie bei den Kreuzschwestern im Kloster Hegne ein. Von 1907 bis zu ihrer Erkrankung 1912 war sie in Bühl als Küchenschwester aktiv. Sie starb schon 1913 im Alter von 31 Jahren. 1987 wurde sie seliggesprochen.
Eine Institution in Oberschwaben
Das Ulrika Nisch-Haus in Oberschwaben ist mittlerweile eine Institution in der Region. Seit 25 Jahren werden dort Frauen mit ihren Kindern aufgenommen, die gerade keine Bleibe haben. 60 Frauen sind es in dieser Zeit gewesen, 55 Kinder wurden im Laufe der Jahre während dieser Aufenthalte geboren.
Denn das ursprüngliche Konzept des Hauses richtete sich an Frauen, die unverheiratet schwanger wurden und einen Rückzugsraum brauchten, um ihr Kind zu bekommen und die dort Hilfe für den Start ins Leben zu zweit erhielten.
Die Idee gelte immer noch, nur die Zielgruppe sei mittlerweile breiter geworden, berichtet Terhas Woldeyohannes-Riegger, die seit 2016 im Haus als Familienhebamme arbeitet. Der jungen Mutter mit ihren zwei Kindern, die aus der Obdachlosenunterkunft kam, halfen sie im Haus weiter. Woldeyohannes-Riegger hat sich mit der zuständigen Stelle bei der Caritas in Verbindung gesetzt, die der Mutter geholfen hat, eine Wohnung zu finden. Denn eine Familienhebamme begleitet die Frauen nicht nur vor, während und unmittelbar nach der Geburt. Sie unterstützt die Mutter auch die ersten drei Lebensjahre des Kindes bei behördlichen, rechtlichen und sozialen Problemen.
Zeit finden – und die richtigen Ansprechpartner
In Deutschland gibt es zwar zahlreiche Stellen, die Menschen in Not helfen. Doch häufig dauert es eine Weile, bis diese Hilfe anläuft. Zudem ist nicht immer klar, wer für was zuständig ist oder wie die Formulare ausgefüllt werden. Für viele der Frauen ist es im konkreten Moment einfach zu viel. Sie können nicht alle Probleme gleichzeitig lösen. Im Ulrika Nisch-Haus werden sie unterstützt, sie gewinnen Zeit, sie gewinnen Klarheit und werden an die richtigen Ansprechpartner weitergeleitet. „Es gibt Frauen, die für einen kurzen oder auch etwas längeren Moment Sicherheit brauchen. Dafür sind wir da.“

Maximal 330 Euro Miete
Die Bewohnerinnen bleiben unterschiedlich lange – manche einen Monat, manche wenige Monate, ein Jahr oder etwas länger. Damit sie aufgenommen werden, müssen sie volljährig sein; sie müssen sich und ihr Kind grundsätzlich selbstverantwortlich versorgen können, denn es gibt im Haus keine durchgehende Betreuung. Woldeyohannes-Riegger kommt zweimal in der Woche ins Haus, ist aber auch darüber hinaus erreichbar. Ansonsten kümmern sich weitere Ehrenamtliche um die Bewohnerinnen; es gibt auch einen Hausmeister.
Die Verwaltung des Hauses wird von der gleichnamigen Stiftung übernommen. Dazu gehört auch die Vermietung der Zimmer. Maximal 330 Euro inklusive Nebenkosten zahlen die Frauen derzeit. Um Strom und Telefon kümmern sie sich selbst. Natürlich gibt es auch immer wieder Frauen, die gerade kein Geld haben, um die Miete zu bezahlen oder keine staatliche Hilfe bekommen. „Wir hatten auch mal eine Bewohnerin, die kam aus einem anderen Land, die hatte damals noch keinen Anspruch auf Bürgergeld.“ Die Stiftung Ulrika Nisch hat die Miete dann getragen.

Selbständig leben ist Programm
Das Haus besteht aus vier Wohneinheiten: möblierter Wohnraum, Kochnische, eigenes Bad. Nicht viel, aber ein sicherer Rückzugsort für die Frauen und ihre Kinder. Dazu gehört auch die Einhaltung der Hausordnung. So sind etwa keine männlichen Besuche über Nacht gestattet. Das Konzept des Hauses setzt auf viel Selbstständigkeit. Es gibt eine gemeinsame Waschmaschine und einen Trockner, die Frauen teilen sich die Aufgabe, die Flure und das Grundstück ordentlich zu halten. So entsteht auch Gemeinschaft. Natürlich gibt es auch Konflikte; doch konnten diese in der achtjährigen Dienstzeit von Woldeyohannes-Riegger immer einvernehmlich gelöst werden.
Hin und wieder höre sie noch von den Frauen, nachdem sie das Haus verlassen haben: „Wir hatten vor einiger Zeit eine indische Frau mit ihrem Kind bei uns im Haus. Als sie zu uns kam, hatte sie große Probleme, schon allein wegen der Sprache. Aber sie hat es geschafft: Das Kind geht in den Kindergarten, sie macht eine Ausbildung zur Altenpflegerin. Es ist schön zu erleben, wenn die Frauen wieder in ihr Leben gefunden haben.“