„Ich bin gerufen. Also habe ich’s gemacht!“
Bruder Raymund Witzel OMI hat am 23. April diesen Jahres seine vierten zeitlichen Gelübde als Oblatenmissionar abgelegt. Für das nächste Jahr wird über die Zulassung zu den ewigen Gelübden entschieden. Dann wird er 62 Jahre alt sein. Mit dem WEINBERG sprach er über seinen Weg zu den Oblaten.
Update
Das Interview wurde 2023 mit Br. Raymund Witzel geführt. Inzwischen wurde Raymund zu den Ewigen Gelübden zugelassen und hat sie am 17. Februar 2024 feierlich abgelegt. Seine Berufungsgeschichte, von der er im Interview berichet, bleibt nach wie vor aktuell.
Bruder Raymund, wie würden Sie Ihre Stimmung beschreiben?
Ich hätte nie gedacht, dass ich Oblate werde – und im nächsten Jahr die ewigen Gelübde ablege.
Vor ein paar Jahren hätte ich gesagt: Das mache ich nie. Ich kann sagen: Jesus und Maria – die beiden sind daran schuld, dass ich heute Oblate bin.
Woher kennen Sie die Oblaten?
Die Gemeinschaft kenne ich schon lange: Ich stamme aus Sargenzell, was heute ein Ortsteil von Hünfeld ist – und in Hünfeld liegt das Bonifatiuskloster. So haben die Oblatenmissionare häufig die Messe bei uns gefeiert.
Prägend war Pater Konrad, der mit uns die Kirche neu gebaut hat. Der hat mich damals schon gefragt, ob ich Oblate werden möchte – das habe ich damals verneint. Ein anderer Oblatenmissionar hat mich aber dazu gebracht, mich im Pfarrgemeinderat zu engagieren.
Manche meinten damals, ich könnte doch Pfarrer werden; ich hielt mich aber nicht für geeignet.
Sie blicken schon ein langes Berufsleben zurück. Was haben Sie gemacht?
Ich habe zunächst Physik studiert, ein Semester lang; dann wurde ich Bauingenieur. Nach einigen Jahren habe ich mich dann neu orientiert und ein Studium der Informatik abgeschlossen. Danach war ich unter anderem in der Firma meines Bruders beschäftigt.
ABONNIEREN SIE UNSEREN NEWSLETTER
DER WEINBERG.mail hält Sie auf dem Laufenden, bietet Erfahrungen aus erster Hand und lässt sie an den positiven Seiten der Kirche teilhaben.
Sie erhalten zweimal in der Woche eine kurze E-Mail von uns.
Was hat Ihr religiöses Leben geprägt?
Als Junge musste ich immer in die Kirche gehen, weil meine Mutter das wollte – sie war sehr religiös. Als Jugendlicher hatte ich dann mehr Lust auf Partys – aber da gab es keine Gnade. Jeden Sonntag mussten wir antreten.
Ich habe aber schon früh angefangen, im Gebet Hilfe zu suchen. Als junger Erwachsener hörte ich von Gebeten, die mit Verheißungen verbunden sind. An diese Gebete habe ich mich in schwierigen Situationen gehalten – und es hat mir oft geholfen. Maria ist die Patronin unserer Kirche in Sargenzell.
Ich fand sie faszinierend, las Bücher über sie, wie sie Menschen geholfen hat; ich war mehrfach in Lourdes und in Fatima. Während der Probleme im Studium und im Beruf habe ich dann angefangen, den Rosenkranz zu beten. Ich habe gemerkt: Das beruhigt mich, ich werde innerlich fröhlich, als könnte ich jubeln.
Ich bete gerne in Bewegung. Beim Rosenkranz gehe ich spazieren. Und ich nehme häufig an Wallfahrt teil, z.B. 26 Mal an der Wallfahrt nach Walldüren. Dort habe ich gespürt, dass es einen Gott gibt: der mich froh macht, der mir hilft, wieder neu in die Spur zu kommen, und der mich durch meinen Alltag trägt.
Wie hat sich Ihr Verhältnis zu den Oblaten intensiviert?
Unter anderem durch den Klosterchor in Hünfeld. Die neuen geistlichen Lieder fand ich toll. Und den Klosterchor in Hünfeld auch. Ich dachte mir immer: Da würde ich gerne mitsingen – aber ich konnte gar nicht singen.
Zum Weltjugendtag in Köln hieß es dann, sie suchen Leute und üben nur an Samstagen. Das hat gepasst, denn unter der Woche hatte ich keine Zeit. Also habe ich da vorgesungen und wurde auch genommen.
Ich war über den Pfarrgemeinderat auch kirchlich engagiert, habe an Veranstaltungen teilgenommen und sie auch organisiert. Bei einem Alpha-Kurs habe ich dann die Assoziierten der Oblaten kennengelernt. 2010 bin ich selbst ein Mitglied der Assoziierten geworden. Ich gehörte dann zur Hünfelder Gruppe, die sich monatlich zum Austausch im Bonifatiuskloster getroffen hat.
Wie waren die Etappen zu ihrem Ordenseintritt?
Ein intensives Erlebnis hatte ich während eines Gottesdienstes im Bonifatiuskloster. Ich saß da und dachte: Ich muss ein Oblate werden – das dauert so drei bis fünf Minuten. Und dann war es wieder vorbei. Ich habe dann nicht mehr daran gedacht: Ich wollte weiterhin kein Oblate werden.
Später habe ich das Haus meiner Eltern übernommen. Dafür habe ich ihnen versprochen, dass sie in dem Haus wohnen bleiben können und nicht in ein Heim müssen. 2014 starb meine Mutter, 2016 mein Vater. Damit hatte ich mein Versprechen erfüllt. Ein paar Wochen später kam Pater Martin Wolf auf mich zu: Ob ich nicht Interesse daran hätte, Oblate zu werden. Da dachte ich: Was will er jetzt von mir. Lieber nicht.
Aber drei Wochen später hat er mich wieder angesprochen: Ob ich Probe wohnen wollte im Kloster. Da habe ich gesagt: Ich gehe jetzt erst mal auf Wallfahrt. Da habe ich die Frage mitgenommen. Als ich zurückkam, habe ich Pater Wolf geantwortet: Gut, ich probiere es.
Ich habe dann unter der Woche als Informatiker weiter in der Firma in Alsfeld gearbeitet und bin dann abends ins Kloster zurückgegangen. Da fand ich manches befremdlich: Gegen 21 Uhr abends waren alle Oblaten verschwunden. Ich bin kein Typ, der schon um 21 Uhr ins Bett geht.
Später habe ich an einer Reise nach Aix-en-Provence teilgenommen, zum Gründungskonvent der Oblaten, organisiert von den Assoziierten. Ich dachte, das wäre eher eine Art Urlaub. Aber das war eine Wallfahrt. Dort habe ich Eugen von Mazenod näher kennengelernt: Bei den Gottesdiensten hatten wir eine Reliquienschale mit seinem Herzen in der Hand; oder wir haben aus seinem Kelch getrunken; die Messe wurde an seinem Grab gefeiert etc. Das waren Momente, an dem ich berührt wurde.
Ich erzählte meinen Brüdern davon, dass ich darüber nachdenke, Oblate zu werden. Einige waren nicht begeistert.
Ich wollte wissen, was ich tun sollte. Also habe ich mich damit beschäftigt, wie andere Menschen ihre Berufung gefunden haben. Dabei bin ich auf die Geschichte von Gideon im Alten Testament gestoßen. Gideon fragte sich, ob er gegen die Philister in die Schlacht ziehen sollte – und erbat sich von Gott ein unwahrscheinliches Zeichen. So etwas gibt es in vielen Berufungsgeschichten.
Ich dachte mir: Das mache ich auch. Also habe ich gebetet: Lieber Gott, schick mir jemanden, der dagegen ist, dass ich in den Orden eintrete; der soll träumen, das ich Oblate bin. Das habe ich wochenlang gebetet. Aber es passierte nichts.
Sie haben sich mit ihrer Überlegung lange getragen. Wie kam es zu der Entscheidung für den Eintritt?
Ich war schon genervt. Also habe ich es mit Schweigeexerzitien versucht. Der Kursleiter sagte im Vorgespräch: „Sie sitzen auf einem Stuhl und auf der einen Seite ziehen ihre Brüder und die Leute aus dem Dorf, auf der anderen Seite ziehen die Oblaten.“ Deshalb sei es gut, ins Schweigen zu gehen, um eine Entscheidung zu treffen.
Als die Exerzitien zu Ende waren, hatte ich entschieden, kein Oblate zu werden. Ich bin dann nach Hause gefahren und erzählte allen von meiner Entscheidung. Sogar einen Bausparvertrag habe ich verlängert.
Aber das war eine komische Woche: Ich war ganz aufgeregt, aufgewühlt, je länger, desto mehr.
In der Nacht von Freitag auf Samstag lag ich im Bett - ich habe mir vorgestellt, wie es wohl wäre, ins Kloster zu gehen. Und dabei bin ich ganz ruhig geworden. Am Sonntag bin ich dann ins Bonifatiuskloster gegangen, um mit dem Provinzial zu sprechen.
Pater Obergfell hat mein Erlebnis als Unterscheidung der Geister gedeutet. „Du hast zuhause gelebt, und du hast einen Unfrieden gespürt; du hast dir vorgestellt, wie du bei uns eintrittst, und du hast einen Frieden gespürt“, sagte er zu mir.
Ich war schon 56 – in diesem Alter wird man normalerweise nicht mehr in einen Orden aufgenommen. Aber Pater Obergfell meinte, dass die Oblaten mich ja schon sehr lange kennen – also könnte ich bei ihnen anfangen.
Eine Woche später bin ich in die Schweiz zu meinem jüngsten Bruder Tobias gefahren – ich wollte es ihm persönlich sagen. Und da hat Tobias gesagt: „Ja, ich weiß schon. Ich habe davon geträumt. Und nicht nur einmal, mehrfach habe ich es geträumt.“
Das war für mich nochmals die Bestätigung: Oblate zu werden, das habe ich mir nicht selbst ausgedacht. Ich bin gerufen. Also habe ich’s gemacht.