We for India
Was würden sie über ein Internat denken, in dem es nicht mal Matratzen zum Schlafen für die Schüler gibt, sondern nur Zeitungspapier?
In Deutschland unvorstellbar, in Indien kann man sagen: Wenigstens gibt es ein Internat.
Bildung ist ein Menschenrecht und die Voraussetzung für ein besseres Leben, das stimmt. Aber für viele stimmt auch: Ein besseres Leben ist die Voraussetzung für Bildung.
Das Problem gibt es schon in Deutschland – in Indien noch mehr. Die öffentlichen Schulen gelten als schlecht ausgestattet, vor allem auf dem Land wird die formale Schulpflicht nur begrenzt durchgesetzt. Kinder aus ärmeren Schichten müssen früh zum Lebensunterhalt der Familie beitragen. Kinder, die eine gute Bildung erhalten, die ihnen die besten Chancen im Leben sichert – das ist Privileg der Wohlhabenden.
Mit diesen Umständen lassen sich seit 2017 Oberschüler des Gymnasiums Mariengarden in Burlo regelmäßig konfrontieren.
Ein Kontrast, der sprachlos macht
„Die ursprüngliche Idee war es, unseren Schülerinnen und Schülern Erfahrungen zu vermitteln, durch die sie zu einer Reflexion über ihr Leben in Deutschland gelangen“, so Christian Reisener.
Reisener ist Lehrer am Gymnasium Mariengarden. Er nahm 2015 Kontakt mit P. Aloys Terliesner OMI auf, dem Leiter der Missionsprokur. Terliesner machte ihn auf Indien aufmerksam, das er schon von einigen Projekten kannte. 2016 reiste eine fünfköpfige Gruppe vom Gymnasium auf den indischen Subkontinent. 2017 konnte es dann die erste Fahrt mit Schülern geben. Seitdem fanden sechs Reisen statt.
Die Begegnungen in Indien sind vor allem durch den Kontrast zwischen den Lebensumständen vieler Menschen dort und den Schülern aus Deutschland geprägt. Ein Kontrast, der sprachlos macht, wie Pia Westhoff es auf der Internetseite we-for-india.de zur Reise 2020 beschreibt.
„Trotz der teilweise schlimmen Umstände, die wir zum Beispiel in den Slums von Kalkutta sahen, waren die Menschen unglaublich gastfreundlich und herzlich. Wir hatten nie den Eindruck, dass die Menschen, die wir während unserer gesamten Reise kennenlernen durften, weniger glücklich und zufrieden mit ihrem Leben waren“, so Thorben Lövvelt über die Fahrt 2019.
Für die Oberstufenschüler aus Burlo werden die Reisen so zur Chance zu erfahren, dass es auch ein glückliches Leben außerhalb der westlichen Wohlstandsblase geben kann – eine Erkenntnis, die auch eigene Maßstäbe in Deutschland zurechtrücken kann. Und die anspornt, die Lebensumstände der Menschen zu verbessern, denen sie begegnet sind.
Run for India
Die Schüler von Mariengarden wollten von Anfang an nicht nur etwas erleben, sondern auch etwas nach Indien mitbringen - und sammelten Spenden.
Daraus wurde das Projekt „We for India“.
Dafür haben die Schüler in den vergangenen Jahren zahlreiche Aktionen durchgeführt: Es begann mit einem Spendenlauf, an dem 700 Schüler teilnahmen; es wird auch weiter gelaufen, etwa beim Marathon in Hamburg, wo für „Run for India“ Sponsoren gewonnen werden konnten; auch viele kleinere Aktionen wie Waffelverkauf, Musikabende und einem Indianfestival haben Geld in die Spendenkasse gebracht. Im September 2023 waren insgesamt 200.000 Euro.
Oblatenschüler für Oblatenschüler
Mit dem Geld aus Deutschland konnte in Indien viel bewegt werden: Von Spielgeräten für die Kinder zu Matratzen für die Schüler des Internates bis zu einem weiteren Stockwerk, das auf ein bestehendes Schulgebäude aufgesetzt wurde; zudem konnten Schulgelder für ärmere Familien aufgebracht und ein Schulbus angeschafft werden.
Partner sind vier Oblatenschulen: In Gazna und Basirhat, beide in Westbengalen, in Tallapudi und in Musunuru, beide in Andhra Pradesh gelegen.
Der Kontakt zum Orden wirkt sich auch auf die ganze Reise aus: „Sobald wir das Flughafengebäude verlassen bis zu dem Moment, wo wir wieder abfliegen, werden wir von einem Oblatenmissionar begleitet“, so Reisener.
Mittlerweile sind über 100 Leute mit nach Indien gereist, Schüler wie Begleitpersonen. Auch die nächste Fahrt ist für Januar 2024 schon geplant.
Ein begeisternder Geist
„Mich beeindruckt, was die Erfahrung in Indien mit unseren Schülern macht“, so Reisener. Auch von den Eltern hören die Organisatoren, dass ihre Kinder verändert zurückkommen, und am Ball bleiben. Viele, die mitgefahren sind, bleiben dem Projekt auch noch verbunden, nachdem sie die Schule verlassen haben.
Niklas Grave und Till Schletter fassen ihre Erfahrungen der Fahrt 2018 so zusammen:
„Wir alle haben gemerkt, welch lebendiger, lebensfroher und begeisternder Geist durch Indien fließt, der Außenstehende schnell ein seinen Bann reißt und nicht mehr loslassen möchte … Ein Land, welches man trotz einiger Macken zu lieben lernt, durch die Natürlichkeit und Offenheit der Menschen, die uns zeigten, dass man nicht das Land Indien verändern kann, sondern Indien uns verändert. Ein Land, welches so viel ärmer und doch so reich ist.“
Weitere Informationen finden Sie unter We for India.
Fotos
Teaser-Foto: We for India 2018
Header-Foto: We vor India 2022