Solidarität mit Binnenmigranten
In Bangladesch haben wir turbulente Zeiten hinter uns. Es waren Tage der Unsicherheit und Gewalt, die auch vor christlichen Einrichtungen nicht Halt gemacht haben. Anfang August wurde unsere Premierministerin Sheik Hasina gestürzt. Sie verließ das Land am 5. des Monats und suchte Exil in Indien. In dieser Zeit gab es einen massiven Aufruhr in Bangladesch. Es kam zu Vandalismus und Gewalt. Es hat drei Tage gedauert, bis die Übergangsregierung ihren Dienst aufnehmen konnte. Solange hatten wir keine Regierung und es herrschte Chaos.
Angriff auf die christliche Kreditgenossenschaft
Während dieser Tage wurde das Büro der „Christian Cooperative Credit Union Limited“, der christlichen Kreditgenossenschaft in Madanpur, nahe der Hauptstadt Dhaka, angegriffen. Neben den Diensten der Genossenschaft gibt es auch seelsorgliche Angebote. Sonntags feiere ich dort immer die heilige Messe. Am 6. August wurde dieses christliche Zentrum angegriffen. Die Folgen des Vandalismus waren erschreckend. Zertrümmerte Möbel, Musikinstrumente und Lautsprecher zeigten das Ausmaß der Zerstörungswut. Die machte auch vor religiösen Dingen nicht halt. Die Statue der Muttergottes war zerstört. Gesangbücher und Bibeln waren verbrannt, Altar, Kreuze und Heiligenbilder in Mitleidenschaft gezogen. Ich konnte nicht anders, als zu weinen. Alles war zu Asche verbrannt. Ich hielt die Statue der Jungfrau Maria und betete:
„Liebe Mutter, bitte deinen Sohn, den Retter der Menschheit und des Universums, uns Frieden und Stabilität für unser Land und die vom Krieg betroffenen Länder zu gewähren. Mögen wir in Gemeinschaft, Versöhnung und Harmonie leben.“
Chaotische Tage
Obwohl die Übergangsregierung nach ihrer Vereidigung den Dienst aufgenommen hatte, herrschte weiterhin Chaos im Land. Die Sicherheitsorgane standen vor enormen Herausforderungen. Unruhestifter nutzten die Situation, um eigene Interessen durchzusetzen. Mit der Zeit verbesserte sich jedoch die Lage des Landes. Im September konnten die Ordensschwestern Noel Francis und Grace Claire, mit denen wir zusammenarbeiten, dann fünf Außenstellen besuchen. Sie haben den Menschen zugehört, sie ermutigt und Solidarität gezeigt. Die Menschen stammen aus Dörfern auf dem Land. Sie sind allesamt Binnenmigranten aus acht Diözesen in Bangladesch. Fast 99 Prozent von ihnen sind Katholiken und gehören verschiedenen indigenen Gruppen an.
Traumatische Erfahrungen
Bei Besuchen in anderen Stationen rund um die Hauptstadt Dhaka konnte ich die Schwestern begleiten. In Kongka konnten wir vor der hl. Messe mit den Katecheten reden. Einer berichtete uns, dass einige seiner Verwandten aufgrund der Unsicherheit ihre Arbeitsplätze in den Fabriken verlassen hatten. Er brachte sie zum Nachtbus, damit sie in ihre Heimatorte zurückkehren konnten. Auf dem Rückweg zu seiner Wohnung wurde er wegen seines Glaubens und seiner ethnischen Herkunft angegriffen.
„Ich wurde bewusstlos geschlagen“, berichtet er.
„Als ich wieder zu Bewusstsein kam, war ich völlig benommen. Ich wusste nichts mehr. Ich wusste nicht, wie ich nach Hause kam. Ich begann an die Tür zu klopfen und meine Frau öffnete. Als sie meinen erbärmlichen Zustand sah, fragte sie, was mit mir geschehen war. Ich blieb sprachlos. Als sie mich mit ihren Händen berührte, begann ich zu weinen.“ Die Ehefrau versorgte ihren Mann, der mit Eisenstangen geprügelt worden war. Am nächsten Tag ging er zum Arzt und wurde weiter behandelt. „Die Gottesmutter Maria brachte mich nach Hause, nachdem ich bewusstlos geprügelt worden war“, ist sich der Katechet sicher. Während er über seine traumatische Erfahrung spricht, laufen dem Ehemann und Vater einer kleinen Tochter Tränen über die Wangen.
Auch in Molikpara gingen wir von Haus zu Haus und hörten zu, wie die Menschen die Tage seit dem 5. August verbracht hatten. Viele berichteten von ihren Ängsten, Unsicherheiten und enormen psychischen Belastungen, die sie durchlebten und immer noch erleben. Wir konnten hier keine Messe feiern, aber wir beteten gemeinsam und segneten sie. Trotz des vielen Leids gab es eine gute Nachricht: Ein kleines Mädchen wurde geboren. In ihr sehen die Menschen eine Hoffnung, das Leben neu zu beginnen.
Bei vielen Begegnungen in den Tagen nach dem Umsturz hörten wir die Erfahrungen der Menschen, wie sie diese Tage erlebten. Manche waren direkt betroffen von Gewalt oder haben Vandalismus beobachtet. Anderen ist selbst nichts passiert, aber sie haben sich große Sorgen gemacht.
In der letzten Zeit haben viele Freundinnen und Freunde der Oblatenmissionare uns ihr Gebet versprochen und Unterstützung für unsere Arbeit mit den Binnenmigranten zugesichert. Dafür sind wir zutiefst dankbar und beten weiterhin für Sie.