Realitätstüchtig statt Kriegstüchtig
Papst Franziskus äußerte sich in einer Rede im Vatikan besorgt über die Zunahme kriegerischer Rhetorik und betonte die Dringlichkeit, vermehrt von Frieden zu sprechen. Er kritisierte die aktuelle Tendenz, sich in Hassrede zu ergehen, während Menschen an den Folgen von Konflikten leiden: "Heute sprechen viele, zu viele von Krieg. Kriegerische Rhetorik ist leider wieder in Mode. Das ist hässlich! Aber während Worte des Hasses verbreitet werden, sterben Menschen in der Brutalität der Konflikte. Stattdessen müssen wir von Frieden sprechen, vom Frieden träumen." Der Papst sprach zu den Teilnehmern eines ersten Arbeitstreffens zwischen der Vatikanbehörde für den interreligiösen Dialog und dem Kongress der Führer der Welt- und traditionellen Religionen.
Kongress der Führer der Welt- und traditionellen Religionen
Auf Initiative des ersten Präsidenten der Republik Kasachstan wurde 2003 zum ersten Mal der "Kongress der Führer der Welt- und traditionellen Religionen" einberufen. Der Kongress will auf gegenseitigen Respekt und Toleranz hinwirken und verhindern, dass religiöse Gefühle ausgenutzt werden, um Konflikte und Feindseligkeiten zu schüren.
Der Kongress findet etwa alle drei Jahre in Kasachstan statt. Papst Franziskus nahm 2022 persönlich teil.
Der Papst äußerte sich unter anderem vor Vertretern von Religion und Politik aus Kasachstan. In seiner Rede sprach er auch von "gesunder Laizität". Diese vermische nicht Religion und Politik und erkenne gleichzeitig die wesentliche Rolle der Religionen in der Gesellschaft im Dienst des Gemeinwohls an. Solch ein säkularer Staat trage in hohem Maße zur Schaffung von Harmonie bei. Die Achtung von Vielfalt sei ein unverzichtbares Element der Demokratie und müsse ständig gefördert werden.
Obwohl sich Kasachstan so intensiv für den interreligiösen Dialog einsetzt, ist die Menschenrechtslage im Land nicht unproblematisch. Amnesty International kritisierte im Menschenrechtsbericht 2022/23, dass die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit übermäßig eingeschränkt waren. Zudem kam es 2022 zu exzessiver Gewalt gegen friedliche Protestierende, wodurch zahlreiche Menschen verletzt und getötet wurden.
Konkret: Realitätstüchtig statt Kriegstüchtig
Unabhängig von Papst Franziskus zeigt der Mainzer Bischof Kohlgraf, wie das Sprechen vom Frieden aussehen kann: Gegenüber der "Frankfurter Rundschau" äußerte er seine Bedenken, wenn im Kontext vom Ukraine-Krieg nur noch von Waffenlieferungen die Rede ist. Kohlgraf, der auch der Präsident von Pax Christi Deutschland ist, kritisierte die Forderung von Verteidigungsminister Pistorius, "Kriegstüchtigkeit" herzustellen. Stattdessen fordert der Bischof: "Wir sollten realitätstüchtig sein, verantwortungsvoll und friedensfähig",
Pax Christi
Entstanden am Ende des zweiten Weltkriegs als französische Initiative zur deutsch-französischen Aussöhung, entwickelte die Bewegung schon ab 1946 internationale Ausstrahlung. Die deutsche Sektion wurde 1948 am Marienwallfahrtsort Kevelar gegründet. Pax Christi International gilt als offizielle internationale katholische Friedensbewegung. Pax Christi International äußert seit Jahren Kritik am israelischen Umgang mit den Palästinensern und dem Siedlungsbau. Diese Positionierung wiederum wird häufig kritisiert.
Für Verhandlungen braucht es Augenhöhe
Kohlgraf räumte ein, dass aussichtsreiche Verhandlungen mit Russland derzeit kaum zu erreichen seien. "Für Verhandlungen braucht es Augenhöhe. Es kann aber Kriegsparteien geben, die Verhandlungsangebote eher als Zeichen der Schwäche ansehen. Bei Russland scheint das der Fall zu sein", sagte der Bischof. "Es scheint mir sehr fragwürdig zu sein, ob es zum jetzigen Zeitpunkt möglich ist, Verhandlungen zu führen, die der Ukraine zu ihrem Recht verhelfen. Deswegen stecken wir in einem echten Dilemma."
In diesem Zusammenhang wies Kohlgraf auch die Äußerung von SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich vom "Einfrieren" des Konflikts zurück. "Ein Einfrieren ist nicht die Lösung, denn es löst rechtlich nichts. Es müssten Friedensperspektiven im Raum sein, über die verhandelt werden kann."
Papst Franziskus weiß sehr wohl, das Russland der Agressor ist
In dem Interview schlug Kohlgraf auch eine Änderung der Strategie des Vatikans vor, dem vorgehalten werde, dass er sich bisher "relativ neutral" verhalten habe. "Er (Papst Franziskus) weiß sehr wohl, dass Russland der Aggressor ist und die Ukraine das angegriffene Land", betonte der Bischof. "Es war die Strategie des Vatikan, sich nicht zu sehr auf die Seite einer Partei zu schlagen, um für beide ein ernstzunehmender Mediator zu bleiben. Vielleicht ist aber der Punkt erreicht, an dem man sagen muss: Das funktioniert nicht mehr und man muss das Unrecht klar benennen."