Orientierung
Mittwoch, 5. Juli 2023

Liturgie in der Sprache des Volkes

Die Heiligen Kyrill und Method sind in Westeuropa weitgehend unbekannt – dabei sind sie 1980 von Johannes Paul II. zu Patronen Europas erhoben worden. Große Bedeutung haben sie im slawisch geprägten Osteuropa. Das verdanken sie ihrer Leistung, die erste kirchensklawische Texte geschrieben zu haben. Dass sie in ihrem Wirkungsgebiet selbst keinen nachhaltigen Erfolg hatten, tut ihrem Ruhm keinen Abbruch.

Aufgewachsen am Schnittpunkt der Kulturen

Kyrill und Method waren Brüder aus Thessaloniki. Ihr Vater war vermutlich Beamter des oströmischen Kaisers, ihre Mutter könnte slawischer Herkunft gewesen sein – nicht ungewöhnlich in Thessaloniki, in dessen Umgebung viele Bulgaren eingewandert waren.

Method wurde wohl 815 als Michael geboren. Er folgte zunächst seinem Vater in den kaiserlichen Dienst, bevor er wohl mit ca. 30 Jahren in ein Kloster nahe dem Marmarameer eintrat, wo er den Ordensnamen Methodios erhielt.

Kyrill kam als Konstantin auf die Welt, vermutlich gegen 827. Der gebildete und vielsprachige junge Mann stieg schnell zum Sekretär des Patriarchen von Konstantinopel auf. Anders als sein Bruder trat er zunächst nicht in ein Kloster ein, wurde aber zum Priester geweiht. Den Ordensnamen Kyrill nahm er erst an, als kurz vor seinem Tod in Rom in ein Kloster eintrat.

Konstantin wurde schon früh mit Missionen betraut. So sandte man ihn nach Samarra im heutigen Irak, wo er am Hof des Kalifen über theologische Fragen disputieren sollte.

860 wurde er zusammen mit seinem Bruder als Missionar zu den Chasaren gesandt, die damals östlich des Schwarzen Meeres siedelten.

Christentum zwischen den Einflusszonen

Ihren wichtigsten Auftrag erhielten sie wenig später: Der Fürst der Mähren, Rastislav, bat den oströmischen Kaiser um Missionare. Die Mähren hatten damals ein Reich gebildet, dessen Kern in der historischen Landschaft Mähren, also Ost-Tschechien, und der Slowakei lag.

Das Christentum war im mährischen Reich schon bekannt, wo es von Missionaren aus dem benachbarten Frankenreich verbreitet wurde. Doch fürchtete sich Fürst Rastislav vor dem damit einhergehenden wachsenden Einfluss der ostfränkischen Könige – denn Mission war immer auch politisch. Um seine Unabhängigkeit zu wahren vertrieb er den fränkischen Klerus – und brauchte nun neue.

Ob Rastilav überzeugter Christ war, geht aus den Quellen nicht hervor. Doch gab es im mittelalterlichen Europa eine kulturell-zivilisatorische Tendenz zum Christentum. Die mächtigen Nachfolgestaaten des römischen Imperiums waren christlich. Die regionalen Herrscher, die von deren kulturellen und wirtschaftlichen Fähigkeiten profitieren wollten, mussten zum Christentum konvertieren.

Damit war aber die Gefahr verbunden, in die Einflusszone der jeweiligen dominanten Mächte zu geraten. Im 9. Jahrhundert waren das die fränkischen Reiche im Westen und das Oströmische Reich im Osten.Fürsten wie Rastislav versuchten daher, zwischen beiden Machtblöcken zu taktieren, um sich größere Unabhängigkeit zu schaffen.

Eine neue Schrift für die Slawen

So wandte sich Rastilav an den oströmischen Kaiser mit der Bitte um neue Kleriker. Der Kaiser sah die Chance; und sandte Konstantin und Method.

Konstantin schuf in Vorbereitung eine neue Schrift, um das Slawische schreiben zu können, dass er aus der Gegend von Thessaloniki kannte. In dieser glagolitischen Schrift übersetzten die Brüder und ein Schülerkreis die Evangelien und andere Teile der Bibel. Das war die Keimzelle des Kirchenslawischen.

So vorbereitet erreichten die Brüder wohl um 863 Mähren. Ihre Mission scheint erfolgreich gewesen zu sein. Das wird zum einen auf die Unterstützung Rastislavs zurückgeführt, zum anderen auf die Nutzung des Slawischen im Gottesdienst.

Zwar hatten sich die slawischen Sprachen seit einigen hundert Jahren auseinanderentwickelt – doch geht die Forschung davon aus, dass die slawische Liturgiesprache für die Menschen in Mähren noch relativ verständlich war.

So unterschied sich die Liturgie Konstantins und Methods von jener des fränkischen Klerus – dort wurde Latein genutzt.

An dieser Frage hängten sich die Konflikte auf, als der ostfränkische König Ludwig wohl um 865 die Rückkehr des lateinischen Klerus erzwang.

Römische Hilfe

867 begaben sich Konstantin und Method zu einer großen Reise nach Konstantinopel und Rom. In Rom erreichten sie von Papst Hadrian II. die Bestätigung ihrer liturgischen Bücher. Zudem weihte der Papst Method zum Bischof.

In Rom starb aber auch Konstantin. Wohl schon schwer krank trat er unter dem Namen Kyrill in ein Kloster ein und starb dort 869. Sein Grab wird heute in San Clemente al Laterano verehrt.

Papst Hadrian II. ernannte Method auch zum Erzbischof von Pannonien und Großmähren und bestätigte erneut die slawische Liturgie. Das schützte Method abr nicht vor dem ostfränkischen Einfluss, der sich in Mähren mittlerweile bemerkbar machte: Der Neffe Rastislavs hatte sich mit König Ludwig verbündet, seinen Onkel abgesetzt und ließ auch Method 870 inhaftieren. Vermutlich auf Betreiben Papst Johannes VIII. wurde er 873 freigelassen und als Erzbischof wieder eingesetzt.

Dennoch blieb Method ständigen Konflikten mit dem ostfränkisch-lateinischen Klerus ausgesetzt – obwohl 880 Papst Johannes VIII. seine slawische Liturgie und sein Amt als Erzbischof erneut bestätigte.

884 besuchte Method Konstantinopel und übergab dem Kaiser Abschriften seiner liturgischen Bücher.

885 starb Method. Sein Grab wird heute in Staré Město u Uherského Hradiště in Ost-Tschechien vermutet – wurde aber bislang nicht gefunden.

Eine erfolgreiche Mission?

Sein Tod bedeutete freilich den Anfang vom Ende der slawischen Liturgiesprache in Mähren. Der lateinische Klerus in der Region erreichte, dass Papst Stephan V. sie verbot, um den Einfluss der oströmischen Kirche zurückzudrängen.

Die Wirkung Kyrills und Method reicht freilich über ihre unmittelbare Lebensspanne weit hinaus. Es waren vor allem ihre Schüler, die in der Tradition der beiden weitere slawische Gebiete bereisten und in den Kirchen Böhmens und Bulgariens wichtige Positionen einnahmen.

Besonders für die Bulgaren wurde der Einfluss ihrer Schüler wegweisend – sodass die beiden Nationalheilige des Landes sind. Die in Bulgarien entwickelte kyrillische Schrift geht wohl nicht auf Konstantin/Kyrill zurück – sie ist ca. ein Jahrhundert nach seinem Tod entwickelt worden. Aber sie bediente sich neben dem griechischen Alphabet der glagolitischen Schrift Konstantins.

Zudem durchbrachen Kyrill und Method die Dominanz des Griechischen und Lateinischen als Liturgiesprachen – und legten damit einen Grundstein für die national geprägten Kirchen der slawischen Völker. 

So werden die beiden in Osteuropa verehrt. Am 5. Juli etwa wird in Tschechien und in der Slowakei der Tag von Cyrills Eintreffen im Großmährischen Reich als Nationalfeiertag begangen.