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Samstag, 19. November 2022

Christus, der König

Am Sonntag vor dem 1. Advent feiert die Kirche das Christkönigsfest. Wie aktuell Könige noch in der modernen Welt sein können, hat sich dieses Jahr wieder gezeigt, als in Großbritannien Queen Elizabeth II. starb. Die Idee von Christus als König vermag keine vergleichbare Faszination auszulösen. Dabei ist das Fest eine Verbindung von uralten Ideen und modernen Entwicklungen.

Ein junges Fest mit neuem Datum

Das Fest wurde anlässlich des Heiligen Jahres 1925 durch Papst Pius XI. eingesetzt und erstmals am 31. Dezember 1925 gefeiert. Die nächsten Jahrzehnte wurde es am letzten Sonntag im Oktober begangen. Die Liturgiereform des Zweiten Vatikanums verlegte es 1970 auf den letzten Sonntag des Kirchenjahres. Sein voller Name lautet: Hochfest unseres Herrn Jesus Christus, des Königs des Weltalls. Damit verweist es auf alte Traditionen, die noch aus dem Alten Testamentes stammen.

Das Königtum Gottes

Das Alte Testament hat zum Königtum ein ambivalentes Verhältnis. Der eigentliche König des Volkes Israel ist JHWH selbst. Entsprechend hatte das Volk nach der Einwanderung ins gelobte Land auch keinen irdischen, dauerhaften Herrscher. Stattdessen wurden sogenannte Richter berufen, wenn das Volk in Not war. Erst als die Israeliten JHWH einen irdischen König abtrotzten, wurde Saul berufen. Seine Nachfolger, erst im Gesamtreich, später in beiden Reichen, wurden von den biblischen Autoren mit viel Kritik bedacht. Am besten kommt bei ihnen noch der zweite König Israels weg, David.

In der Nachfolge Davids erwarteten die Juden der Zeitenwende den Messias, der als König ein neues Reich aufrichten werde.

Diese Erwartung wurde auf Jesus bezogen. Schon der Engel kündigte Maria an, ihr Sohn werde „den Thron seines Vaters David“ (Lk 1,32) von Gott erhalten. Die Sterndeuter aus dem Osten erwarteten den neugeborenen König der Juden (Mt 2,2).

Auch in der Wirkungszeit Jesu wurde der Königstitel auf Jesus angewandt, etwa als er sich selbst vor Pilatus als König bezeichnete, aber eines Reiches, nicht von dieser Welt sei (Joh 18,36f). Diese endzeitliche Königsherrschaft wurde auch in der Offenbarung Johannes behandelt, wenn Christus „Herrscher über die Könige der Erde“ (Offb. 1,4) genannt wird.

Die Königsherrschaft Gottes

Der Begriff Christ König erinnert zugleich an das Reich Gottes. An der griechischen Bezeichnung basileia tou theou wäre die Bezeichnung „Königsherrschaft Gottes“ näher dran. Denn damit ist weniger ein geographischer Herrschaft Raum gemeint, sondern eher die Ausübung der Herrschaft durch Gott selbst. Diese Gottesherrschaft hat bei Jesus einen apokalyptischen Charakter, sie ist etwas, was in der Zukunft erwartet wird, sich aber schon in der Gegenwart ereignet.

Pantokrator

Die Bezeichnung „König des Weltalls“ verweist auf das Pantokrator-Motiv.

Den Begriff Pantokrator hat das Christentum aus der Septuaginta übernommen, der griechischen Übertragung des Alten Testamentes. Dort wird der Begriff Pantokrator häufig für hebräische Gottesbezeichnungen verwendet. Auch im Neuen Testament kommt er vor, im Korintherbrief und in der Offenbarung Johannes. In der Bibel wird er aber zunächst nur auf Gott-Vater angewandt. Erst im vierten Jahrhundert wird auch Gott-Sohn als Pantokrator bezeichnet.

Die Gestalt des Christus-Pantokrator ist vor allem aus der christlichen Ikonographie bekannt. In der byzantinischen Kunst entwickelt, fand sie Aufnahme in die westchristliche Romanik. In der Regel schmückt sie in Kirchen die Apsis. Vor goldenem Hintergrund wird Christus im kaiserlichen Gewand dargestellt, häufig mit einer Bibel und einer segnenden Hand.

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Apsismosaik der Kathedrale von Cefalù, Sizilien (um 1145)

Das Jesus-Bild im 19. Jahrhundert

Neben diesen alten Traditionen entspringt das heutige Christkönigsfest dem 19. Jahrhundert. Damals war die Herz-Jesu-Verehrung eine populäre Andachtsform. Aus dieser erwuchs das Motiv des „sozialen Königtums Christi“.

Ein Fest für Zeiten der Krise

Das war auch eine Reaktion auf die veränderte gesellschaftliche Rolle des Christentums. Das 19. und 20. Jahrhundert brachte für die Kirche zahlreiche Veränderungen: 1870 endete in Rom die Herrschaft der Päpste; die Dominanz christlicher Staats- und Gesellschaftsdeutungen geriet immer mehr ins Wanken; umso mehr, als um den zweiten Weltkrieg herum zahlreiche Monarchien wankten und durch andere Staatsformen abgeschafft wurden. Damit geriet auch die Legitimation der staatlichen Macht als „von Gottes Gnaden“ in eine Krise. Das Ideal des frühen 19. Jahrhundert, ein christlicher König, der sich auf die christliche Kirche stützt, die gemeinsam die christliche Ordnung garantieren, es brach weg.

Damit wurden auch die traditionellen Rechte der Kirche bedroht, etwa in den Kulturkämpfen des 19. und den Kirchenverfolgungen des 20. Jahrhunderts.

Die Gestalt von Christus, dem König, markiert damit zunächst einen innerkirchlichen, souveränen Herrschaftsraum. Daran erinnert Papst Pius XI., wenn er in seiner Enzyklika Quas primas zur Einrichtung des Festes schreibt:

„werden die Menschen notwendig an folgende Rechte der Kirche erinnert: die Kirche … muß aus höchst eigenem, unveräußerlichem Recht volle Freiheit und Unabhängigkeit von der bürgerlichen Gewalt für sich beanspruchen. Ferner kann die Kirche in der Ausübung ihres göttlichen Amtes, zu lehren, zu leiten und alle Glieder des Reiches Christi zur ewigen Seligkeit zu führen, nicht von fremder Willkür abhängen."

Darüber hinaus soll das Fest zugleich Staatenlenker wie Bürger an einen religiös-christlichen Bezug erinnern:

"Es ist eine Forderung seiner göttlichen Würde, daß die ganze menschliche Gesellschaft sich nach den göttlichen Gesetzen und den christlichen Grundsätzen richte, sowohl in der Gesetzgebung und in der Rechtsprechung, wie auch in der Heranbildung der Jugend zu gesunder Lehre und zu sittlicher Unbescholtenheit."

Begeisterung für Christus, den König

Zwar standen die Forderungen schon in der Zeit, in der sie aufgestellt wurden, auf tönernen Füßen. Doch wurde das neue Fest in der katholischen Welt positiv aufgenommen. So stand etwa der 65. deutsche Katholikenversammlung im August 1926 in Breslau unter dem Leitwort „Christus – König“.

In den Zwanziger- und Dreißigerjahren spielte die Christ-Königsverehrung besonders in der katholischen Jugend Deutschlands eine große Rolle. In den dreißiger Jahren wurde das Christkönigsfest durch die Ablehnung des nationalsozialistischen Führerkultes symbolisch aufgeladen.

Das wurde auch dadurch begünstigt, dass seit Beginn des 20. Jahrhunderts der Dreifaltigkeitssonntag von den katholischen Jugendverbänden als Bekenntnissonntag gefeiert wurde. An diesem Tag fanden deutschlandweit religiöse Feiern und Kundgebungen statt. Als das NS-Regime 1935 das Reichssportfest auf diesen Termin legte, wichen die Jugendverbände auf das Christkönigsfest Ende Oktober aus, um ihr Bekenntnis zu Jesus Christus abzulegen.

Und im 21. Jahrhundert?

Begeisterung vermag dieses eigentlich so moderne Fest in den meisten Gemeinden nicht mehr hervorzurufen. Man bereitet sich ja ohnehin schon halb auf den Weihnachtsstress vor.

Dabei ist die Botschaft des Christkönigsfestes nach wie vor von Relevanz. Es verweist auf den grundlegenden, umstürzenden und dynamischen Charakter der christlichen Botschaft von der Königsherrschaft Gottes. Wenngleich die strenge Sprache Pius XI. den heutigen Leser befremden mag, soll er doch am Ende zu Wort kommen:

"Wenn nämlich Christus, dem Herrn, alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden, wenn die Menschen, die mit seinem kostbaren Blut erkauft sind … wenn endlich diese Herrschaft das ganze menschliche Wesen umfasst, dann ergibt sich daraus, dass keine einzige Fähigkeit sich dem Einfluss dieser höheren Gewalt entziehen darf."

Fotos

Header: Hawobo (Wikimedia Commons)

Vorschaubild: Ronn (Wikimedia Commons)

Pantokrator: Gun Powder Ma (Wikimedia Commons)