Mazenodfamilie
Sri Lanka
Dienstag, 4. Oktober 2022

Dialog des Lebens

Tết Nguyên Đán, das „Fest des Ersten Morgens“, kurz Tết, ist das vietnamesische Neujahrfest und der wichtigste Feiertag meiner Heimat. Das diesjährige Tết war für mich etwas ganz Besonderes. Zurzeit lebe ich im Rahmen meiner Oblatenausbildung in Sri Lanka und durch die vietnamesische Botschaft erfuhr ich, dass die hier lebenden Vietnamesen oft eine gemeinsame Feier des Tết in Colombo oder Kandy organisieren. Dieses Jahr waren es nur etwa 20 Leute, die sich in Kandy versammelten, um ihr eigenes Fest vorzubereiten. Ich bat um Erlaubnis, mich ihnen anzuschließen, und ich traf die Gruppe vietnamesischer Landsleute, die hauptsächlich aus buddhistischen Mönchen und Nonnen und einigen Arbeitern bestand; ich war der einzige Christ.

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Bei der Feier des vietnamesischen Neujahrsfestes werden immer traditionelle Speisen wie Reiskuchen angeboten

Erinnerungen an die Heimat

Die alte Stadt Kandy erinnert mich an meine Heimat. Landschaftlich ist sie den Gegenden um den Hoan-Kiem-See und dem Westsee in Hanoi sehr ähnlich. Der ruhige Lebensrhythmus der Stadt fühlt sich eher an wie das Lebensgefühl in der Stadt Hue in Vietnam. Ich muss zugeben, es hat mich schon etwas berührt, in diesem fernen Land so an die Heimat erinnert zu werden, und das an diesem so wichtigen Fest. Mit unserer Gruppe von Landsleuten besuchten wir zunächst mehrere Sehenswürdigkeiten in und um Kandy, darunter den heiligen Tempel der Zahnreliquie des Buddha, die Internationale Buddhistische Universität und das berühmte Elefantenwaisenhaus. Dann war es an der Zeit, sich auf das Neujahrsfest vorzubereiten.

Festvorbereitungen

Sofort begannen wir damit, blühende Pfirsichzweige und Bananenblättern zu schneiden, Bambus zu hacken und Dinge für die Dekoration zu basteln. Auch das traditionelle Essen zum Neujahrfest durfte natürlich nicht fehlen. Klebreis, Bohnen, Melonenkerne und kandierte Früchte waren eigens aus Vietnam geschickt worden. Wir bereiteten Banh Chung zu, herzhaften Klebreiskuchen mit Bohnen, der in Bananenblättern gewickelt wird.

An diesem Abend saßen wir um das Lagerfeuer und erzählten einander fröhlich Geschichten über unser Leben und unsere Arbeit in diesem fremden Land. Die meisten der buddhistischen Mönche und Nonnen waren hierhergekommen, um Buddhismus zu studieren. Einer der Mönche war Dozent am SIBA-Campus, der Internationalen Buddhistischen Akademie von Sri Lanka. Einige andere arbeiteten für eine japanische Baufirma, während ich hierhergekommen war, um katholische Theologie zu studieren und seelsorgerische Erfahrungen als Oblate zu sammeln.

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Erfahrungsaustausch

Ich erzählte ihnen von meinen Erfahrungen in Sri Lanka und wie glücklich ich bin, in den Bergen zu leben.

In meiner täglichen Arbeit stehe ich im direkten Kontakt mit den Menschen und besuche die Armen in ihren Häusern. Ich nenne diesen Austausch einen Dialog des Lebens. Meine Landsleute waren überrascht, besonders die Mönche und Nonnen. Sie sagten, dass alles, was sie über dieses Land wissen und fühlen, das ist, was sie in der Schule lernen oder durch die Erzählungen der einheimischen Mönche und einiger weniger Personen, mit denen sie befreundet sind. Ich hingegen bin in der Lage, tief in die Realität einzudringen und das Leben und die Lebensbedingungen der Familien hautnah mitzuerleben. Ich habe nur gelächelt und gesagt, dass dies unsere Spiritualität als Oblatenmissionare ist. Wir reichen den Armen in den abgelegenen Gegenden die Hand, um ihnen zu helfen, das liebende Antlitz Gottes, des Allerhöchsten, zu erkennen.

Es war wirklich sehr interessant, diesen Abend mit meinen buddhistischen Landsleuten zu verbringen. Unser Austausch hat deutlich gemacht, dass der Blick und das Verständnis der Mönche und Nonnen bei den theoretischen Aspekten stehen blieb, während meine Wahrnehmung eine Kombination aus Praxis und gelebter Erfahrung ist. Als Oblate fühlte ich mich durchaus etwas stolz, buddhistischen Mönchen und Nonnen gegenüberzustehen und mich mit ihnen und einem Professor des SIBA Campus zu unterhalten. Mehr noch aber fühlte ich mich als Christ und Ordensmann geehrt, dass ich mich von Gott begleitet fühlen durfte und dass alles, was ich an diesem Abend sagte, auf dem Wissen aus erster Hand beruhte, das ich im Umgang mit den Menschen gewonnen hatte. Mein aufrichtiges Mitteilen brachte mich jedem in der Gruppe näher. Da wir zusammen dort waren, halfen wir uns gegenseitig, das Denken des anderen zu erfassen und die Menschen in Sri Lanka besser zu verstehen. Außerdem hatte fast jeder, der nach Colombo kam, um den Buddhismus zu studieren oder um zu arbeiten, eine einseitige Sicht auf das tamilische Volk. Aber indem ich meine Erfahrungen mit der Gruppe der Tamilen teilte, konnte ich ihnen helfen, ihre voreingenommenen Ansichten zu korrigieren.

Ich danke Gott und den Mitgliedern des Ausbildungsausschusses, die mir die Möglichkeit gegeben haben, im Ausland zu studieren und meinen Dienst als Oblate zu tun. Das gibt mir die Möglichkeit, mein Wissen zu erweitern, die Dinge aus einer positiven Perspektive heraus zu betrachten und immer mehr ein Missionar zu werden.

Joseph Phuong OMI