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Mazenodfamilie
Mittwoch, 2. August 2023

Aufbruch ins neue Alte

Vor vielen Jahren schloss ich mich den Oblatenmissionaren an und träumte von fernen, unbekannten Ländern, von Menschen in Dörfern weit weg von der Zivilisation, draußen in der Wildnis. Kurz, ich hatte wie viele andere wohl auch die gängige Vorstellung von Mission. Diese „Mission im alten Stil“ gibt es nicht mehr. Das glaubte ich in den Jahren, seit ich in Thailand lebe, gründlich erfahren zu haben. Ich wurde eingesetzt als Lehrer in Schulen und Ausbildungshäusern, war Pfarrer einer Großgemeinde der Millionenstadt Bangkok, habe mich um Flüchtlinge aus allen möglichen Ländern kümmern müssen, ebenso um Häftlinge im Zentralgefängnis. Als ich von zu Hause wegging, hatte ich mir Mission so nicht vorgestellt.

eine neue Aufgabe im alten Stil

Im Mai vergangenen Jahres teilte mir unser Missionsleiter meine neue Bestimmung mit: Mankhaw hieß der Ort. Viel mehr sagte er nicht. Mit einem Mal war alles anders. Ich stellte fest, dass es „Mission im alten Stil” doch noch geben musste. Viele meiner Pfarrkinder in Bangkok wollten mich bis zu meinem neuen Bestimmungsort begleiten, aber als ihnen klar wurde, dass der hoch im Gebirge liegt, sank ihnen der Mut: „Da kommt man doch nie hin!“

Es war Nachmittag, als ich meinen Geländewagen anließ, ein starker Regen hatte soeben aufgehört. In der Ferne klarte es auf, doch niemand wusste, wie es auf den Straßen nach dem Unwetter aussah! Aber die Straßen blieben gut und während ich durch die Reisfelder fuhr, dachte ich an all die Menschen, zu denen ich bei meiner bisherigen Tätigkeit gute Beziehungen aufgebaut hatte, und ich kam mir jetzt doch ziemlich einsam vor.

Allmählich ging es bergauf und immer wieder durch kleine Dörfer, wo Kinder auf den Straßen spielten und die Hühner zwischen ihnen herumliefen. Mir wurde immer klarer, dass ich von jetzt an in einer ganz anderen Welt leben würde.

Auf 1700 Metern Höhe war die asphaltierte Straße zu Ende und weiter ging es auf einem holprigen und zerfurchten Untergrund, während die Sonne allmählich unterging. Mehr und mehr belebte sich die Straße, ich sah Leute, die von der Arbeit auf den Feldern an den Berghängen kamen. Es war fast sieben Uhr, als auf der Anhöhe Lichtpunkte auftauchten: Ich hatte das Dorf Mankhaw erreicht, das meine neue Mission sein sollte. Eine Gruppe von Katechisten erwartete mich und begleitete mich zu meiner Behausung.

Als ich mein kleines Zimmer betrat, dachte ich wieder „Mission im alten Stil“ und erinnerte mich an ein Foto, das mich in meiner Jugend beeindruckt hatte: In einem ähnlich winzigen Raum saß ein Oblatenmissionar, der konzentriert auf einer alten Schreibmaschine tippte, vielleicht an einem Bericht für die Leser daheim. Es war Pater Mario Borzaga, der in den Bergen von Laos als Märtyrer gestorben ist.

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Pater Domenico (1. v. l.) und sein Empfangskomitee in Mankhaw

im neuen Leben angekommen

Inzwischen bin ich seit mehr als eineinhalb Jahren in diesem kleinen Bergdorf. Zur Ortspfarrei gehören etwa 200 Katholiken. Darüber hinaus betreue ich zwei weitere Gemeinden von Katholiken, die in den Bergen rings um Mankhaw verstreut leben. Wir Oblaten haben unten im Tal eine kleine Niederlassung, wo wir, die wir in den Einzelposten leben, uns regelmäßig treffen.

Da mein Dorf tief in den waldigen Thai-Bergen liegt, ist es schwer zu erreichen, besonders in der Regenzeit. Man kann sich denken, dass das allerlei Nachteile mit sich bringt, zum Beispiel für das Schulwesen. Keine ausgebildete Lehrkraft ist bereit, sich hier im tiefsten Waldgebirge niederzulassen mit dem Risiko, einen Großteil des Jahres von der Außenwelt abgeschnitten zu sein.

Als gewissen Ersatz für eine reguläre Grundschule erteilen die Angehörigen der Grenzpolizei, wir befinden uns hier im Grenzgebiet zu Laos, den Kindern unseres Dorfes Unterricht. Daran nehmen die Kinder vom ersten bis sechsten Jahrgang teil. Oft sind mehrere Jahrgänge in einer Klasse zusammengefasst, weil es eben nicht genug Lehrer gibt. Man kann sich vorstellen, dass diese Art Schule ziemlich primitiv ist, aber immerhin lernen die Kinder Lesen und Schreiben.

Viele dieser Kinder sind aus katholischen Familien und nehmen daher auch am Leben unserer Gemeinde teil. Dadurch erfahren sie auch außerhalb der „Schule“ viel Anregung, was ihre Erziehung und Bildung und ihr Verhalten im Zusammenleben mit anderen positiv beeinflusst. Es gibt selten Streit, und sie sind meist fröhlich und unbeschwert.

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Kindern Bildungsmöglichkeiten zu geben, ist eine Aufgabe der Missionare

Leben in Abgeschiedenheit

Natürlich bringt ein Leben in dieser Einsamkeit auch große Gefahren für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen mit sich. Viele, besonders die Jungen, verfallen früh dem Alkohol und anderen Drogen. Es ist erschütternd, junge Menschen zu erleben, die ohne Motivation sind, unfähig, sich für etwas Konstruktives einzusetzen, und nichts Sinnvolleres in ihrem Leben sehen, als sich mit ihresgleichen zu betrinken.

Zu meinen Aufgaben als Missionar gehört es deshalb auch, diesen Kindern so viel wie möglich zu helfen, ihre Fähigkeiten zu entfalten. Wir Oblatenmissionare in diesem Distrikt bemühen uns, für diese Kinder nach dem Abschluss ihrer hiesigen „Dorfschule“ Möglichkeiten für eine gute weitere Schul- und Ausbildung zu schaffen. So etwa in einigen katholischen Schulen in den Städten. Für die Kinder aus armen Familien würde dort finanziell nur ein Lehrmittelbeitrag anfallen. Zusammen mit den erheblichen Fahrtkosten wäre das aber bei den geschilderten Verkehrsverhältnissen noch immer kostspielig für Familien, deren Einkommen im Monat kaum 50 Euro beträgt. Um hier nachhaltig helfen zu können, bräuchten wir kräftige Unterstützung durch Wohltäter.

Zunächst aber habe ich ein bescheideneres Unternehmen im Sinn: Ich möchte für die Kinder eine kleine Bücherei und einen Musikraum einrichten, wo sie in einer fröhlichen Atmosphäre zusammenkommen, ein gutes Buch lesen und miteinander musizieren können. Vielleicht als Weihnachtsgeschenk!