Freude schenken aus Nächstenliebe
Viele kennen Ihn aus von Mainz bleibt Mainz - oder aus vielen anderen Bezügen der Mainzer Fastnacht: Obermessdiener Andreas Schmitt. Mit dem WEINBERG sprach er über sein Engagement und was es mit Nächstenliebe zu tun hat.
Das Gespräch führten Sebastian Veits und Maximilian Röll
Herr Schmitt, worüber haben Sie das letzte Mal herzlich gelacht?
Ich lache öfter am Tag herzlich. Das Lachen gehört zum Tagesgeschäft bei mir.
Finden Sie Humor und Satire angesichts unserer Zeit überhaupt angemessen?
Ja. Die spanische Mystikerin Teresa von Avila hat mal gesagt: Gott will, dass der Mensch seinen Spaß hat.
Wo ist für Sie die Grenze zwischen Humor und Beleidigung?
Die Grenze zwischen Humor und Beleidigung ist eindeutig da, wo man sich über das Leid oder über das Unglück anderer lustig macht. Ich habe mal einen Vortrag gehört, da hat ein Kollege gesagt, dass Nikki Laudas verbrannte Ohren wahrscheinlich auch in seinem Hirn Schaden angerichtet haben – darüber macht man keinen Witz.
Wieso schlüpfen Sie eigentlich in die Rolle des Obermessdieners?
Ich wollte schon immer etwas machen, was kein anderer tut. Gassenkehrer, Straßenbahnfahrer oder Politiker gab es schon viele. Und ich wollte in einer Rolle die Kirche ein bisschen auf den Arm nehmen, denn es gibt einigen Staub unter den Talaren; und da fiel mir diese Rolle ein.
Ein Bischof oder ein Kardinal kann nicht alles sagen, aber so ein frecher Zeremoniar mit 19 bis 25, der kann was loslassen, das nimmt ihm im Endeffekt keiner übel. Ich bin bewusst beim Erscheinungsbild sehr vorsichtig, es gibt kein sakrales Ornat oder religiöse Symbole.
Werden Sie trotzdem als kirchlicher Vertreter wahrgenommen?
Viele wundern sich, dass ich das alles sagen kann, obwohl ich beim Bischöflichen Ordinariat arbeite. Aber die katholische Kirche ist ja keine Institution, die einem den Mund verbietet; wenn du Kritik ordentlich und in einem gepflegten Ton formulierst, sagt keiner was dagegen. Ich bekomme eher Anerkennung von der Bistumsleitung, dass ich gewisse Themen anpacke.
Aber ich habe auch die Fähigkeit, das, was ich als kritischen Punkt rüberbringe, so zu formulieren, dass es bislang keinen Anstoß gefunden hat.
Was braucht es dafür, den Finger in die Wunde zu legen, aber es passend zu formulieren?
Ich kann mir am 16. Dezember nicht aufschreiben, was ich am 16. Januar um 22:45 Uhr für Witze erzähle. Da ist die Situation vor Ort entscheidend, das kann man vorher nicht planen; deshalb habe ich als Sitzungspräsident auch kein Redemanuskript. Man muss auf den Vortragenden oder auf den Künstler auf der Bühne reagieren; kein Beitrag kommt in jeder Sitzung gleich an; darauf muss man in der Abmoderation eingehen und das kann man sich vorher nicht notieren. Das zu können ist auch Grundvoraussetzung, wenn man live vor einem Millionenpublikum steht.
In der Fernsehsitzung besteht ein Vertrauensverhältnis zwischen der Redaktion, dem Programmdirektor, dem Intendanten und mir. Wenn ich live on air bin und etwas sage, was hochproblematisch wäre, wer will mich noch abschalten? Bis jemand die Hand am Knopf hat, ist das versendet. Deshalb muss man sich auch in extremen Stresssituationen im Griff haben.
Glauben Sie, dass das Schenken von Freude ein Akt der Nächstenliebe ist?
Auf jeden Fall. Hätte uns der liebe Gott nicht die Freude gegeben, für was wäre sie dann gut? Wer froh ist, der ist wieder in der Lage, seine seelischen Batterien aufzuladen.
Ich kann Ihnen da zwei Beispiele erzählen:
Meine Großmutter überlebte das Bombardement auf Mainz am 27. Februar 1945. Ihr Haus wurde vollkommen zerstört an dem Tag. Als der Angriff nach 20 Minuten vorbei war, war es am Nachmittag pechschwarze Nacht, weil die Sonne vom Qualm verdunkelt wurde. Sie hat immer erzählt, dass die Menschen auf der Kupferbergterrasse gedrückt herumstanden und weinten. Durch die Brandtemperatur sind heftige Winde entstanden und für einen kurzen Moment konnte man in den Trümmern ein Stück blauen Himmels und unbeschadet den Dom dastehen sehen – da hätten viele doch so einen freudigen Ruck bekommen: Es geht noch weiter.
Konrad Adenauer hat als Oberbürgermeister in Köln direkt nach dem Krieg das Theater aufgemacht und gesagt: Ihr spielt wieder, die Leute müssen lachen. Das hat vielen über diese dunklen Tage hinweggeholfen.
Sie sind ja in verschiedenen Fassnachtsvereinen aktiv?
Ich bin Sitzungspräsident bei den Eiskalten Brüdern; im MC V bin Bühnenaktiver und Komiteemitglied; das sind meine beiden Heimatvereine. Dadurch konnte ich auch zum Fernsehpräsident gewählt werden. Diese Ämter fülle ich mit Freude aus.
Wäre ohne Ihre Familie das Engagement möglich?
Nein. Hinter jedem erfolgreichen Entertainer steckt eine hervorragende Ehefrau. Ohne meine Frau könnte ich das nicht machen. Wir sind seit 32 Jahren verheiratet und durch alle Höhen und Tiefen gegangen. Wenn ich sehe, dass manche sich in meinem Alter noch eine neue Frau anlachen, weil die Ehefrau zu alt geworden ist, die gemeinsam den Erfolg mit erreicht hat – dafür habe ich kein Verständnis.
Was macht Ihnen außer Fastnacht noch Freude?
Wir lebten früher mit sechs Leuten in einem Haus: Vater, Mutter, zwei Buben, Opa und Oma; da war es eng. An Weihnachten wurde immer die Modelleisenbahn aufgebaut, das war ein Privileg. Der schlimmste Tag im Jahr war nach Dreikönig; da musste die Eisenbahn wieder abgebaut werden. Da habe ich mir geschworen, wenn ich mal groß bin und habe ein eigenes Haus, habe ich eine riesengroße Anlage und baue sie nie mehr ab. Da bin ich mit Freuden gerade dabei.
Foto
Header-Foto: Thomas-Gottfried
DER WEINBERG.mail hält Sie auf dem Laufenden, bietet Erfahrungen aus erster Hand und lässt sie an den positiven Seiten der Kirche teilhaben.
Sie erhalten zweimal in der Woche eine kurze E-Mail von uns.