Orientierung
Das Vorbild der Heiligen
Samstag, 23. September 2023

Heiligkeit ist keine Perfektion

Geht man die Liste der Päpste durch, steht Liberius an 36. Stelle. In alten Listen wird er als Heiliger geführt, in neueren Aufzählungen nicht. Manchmal findet sich sogar der Vermerk: „Erster nicht heiliggesprochener Papst.“

Richtig ist, dass Papst Liberius im Martyrologium des Hieronymus, dessen ältestes Manuskript aus dem 8. Jahrhundert stammt, als Heiliger geführt wird. Im Heiligenregister des Martyrologium Romanum aus dem Jahr 1583 fehlt sein Name. In der katholischen Kirche hat es also zweifellos eine Verehrung des hl. Liberius gegeben. Gedenktag war der 23. September.

Ein Blick in die Vergangenheit: Wer war der hl. Liberius?

Marcellinus Felix Liberius entstammte dem römischen Stadtadel und war 352 als Nachfolger des hl. Julius I. († 352) zum Papst gewählt worden.

Sein Pontifikat wurde vom „arianischen Streit“ überschattet. Arius leugnete die Gottheit Jesu. Das Konzil von Nicäa hatte den Arianismus 325 verworfen und die Lehre von der Göttlichkeit Jesu Christi bestätigt. Zur Zeit des Papstes Liberius gab es aber noch viele Sympathisanten dieser kirchlich verurteilten Irrlehre, unter anderem auch Kaiser Constantius II. (317–361). Dieser setzte Liberius massiv unter Druck. Als der sich weigerte, von der Lehre abzuweichen, verbannte ihn der Kaiser 355 und ernannte einen Gegenpapst. Aus der Verbannung heraus begann Liberius dem Kaiser Zugeständnisse zu machen. Liberius konnte aufgrund fauler Kompromisse 358 nach Rom zurückkehren. Als Kaiser Constantius II. 361 starb, ebbte für die Kirche der politische Druck ab. Liberius machte sich daran, die Bischöfe wieder unter dem Glaubensbekenntnis von Nicäa zu einen. Er starb am 24. September 366.

Ein Blick in die Zukunft: Was könnte der hl. Liberius von mir wollen?

Liberius fragwürdiges Taktieren im Arianismusstreit ist sicher der Grund dafür, dass seine Heiligkeit heute infrage steht. Damals war das schnell vergessen. Die Römer erinnerten sich vielmehr an Papst Liberius, der das Maria-Schnee-Wunder von 352 anerkannte. Der Überlieferung nach erschien die Gottesmutter einem Ehepaar und versprach, dessen Kinderwunsch zu erfüllen, wenn eine Kirche an der Stelle errichtet werde, wo am nächsten Morgen Schnee liege. Das war der Anfang des Kirchenbaus der Basilika Santa Maria Maggiore.

Was lernen wir? Taktieren ist nur legitim, wenn man feste Standpunkte hat und niemandem schadet. Der hl. Liberius war ein schlechter Taktierer. Damit kommt aber auch der Trost: Heiligkeit darf nicht mit Perfektion verwechselt werden. In all seiner persönlichen Begrenztheit hat Liberius um die Wahrheit des Glaubensbekenntnisses gerungen. Seine Liebe zu Christus wurde nie hinterfragt.

Gebet

Heiliger Liberius,
im Glauben und in der Lehre warst Du stark;
in der Auseinandersetzung musstest Du nachgeben;
im Kampf hast Du verloren;
Taktieren lag Dir nicht;
oft haben die Umstände Dein Leben bestimmt…
Mancher hätte mehr von Dir erwartet.
In vielem erkenne ich mich wieder.
Auch ich bin nicht perfekt;
manches wächst mir über den Kopf;
nicht selten hätte ich was sagen müssen;
den sinnlosen Konflikt scheue ich;
oft will ich nur meine Ruhe haben…
Des Heils und der Heiligung bedarf ich umso mehr.
Das erbitte ich von Gott auf die Fürsprache des
hl. Liberius, durch Christus unseren Herrn.