Bleibender Auftrag
Wenn Heilige sprechen, dann betrifft das nicht nur ihre Zeit. So verhält es sich auch bei diesem Zitat: „Unbegreiflich ist es, dass wir in unserer Zeit so großer Fortschritte auf vielen Gebieten konfrontiert sind mit einer […] Entehrung und Leugnung Gottes. Wie konnte das Bild Gottes sich so verdunkeln, dass so viele nicht mehr von ihm berührt werden? Liegt der Fehler nur bei ihnen? Oder gibt es jetzt einen Auftrag an uns?“
Die durchaus aktuell gebliebene Bitte um Erhellung eines verdunkelten Gottesbildes stammt aus einer Rede, die im Jahr 1932 anlässlich des Gründungtages der Katholischen Universität Nimwegen gehalten wurde. Ihr Autor ist ein ganz „junger Heiliger“: Titus Brandsma. Er wurde erst 1985 als Märtyrer seliggesprochen. Im vergangen Jahr, am 25. November 2021, erkannte Papst Franziskus dann ein der Fürsprache des sel. Titus zugeschriebenes Wunder an. Die Heiligsprechung erfolgte am 15. Mai in Rom. Der Gedenktag des hl. Titus Brandsma ist der 27. Juli.
Ein Blick in die Vergangenheit: Wer war der hl. Titus Brandsma?
Anno Sjoerd Brandsma wurde am 23. Februar 1881 in Oegeklooster bei Bolsward in den Niederlanden geboren. 1898 trat er in den „Orden der Brüder der allerseligsten Jungfrau Maria vom Berge Karmel“, im Volksmund „Karmeliten“ genannt, ein. Sein Ordensname lautete nun Titus. Nach Abschluss des Grundstudiums wurde er 1905 zum Priester geweiht. Anschließend promovierte er in Rom im Fach Philosophie, um in der Folge als Professor im holländischen Karmelitenseminar von Oss zu wirken. 1923 wurde Titus Brandsma Professor an der Universität von Nimwegen. Zwischen 1932 und 1933 fungierte er sogar als ihr Rektor.
Als Professor und Leiter der Universität hatte er immer wieder den in Deutschland aufkommenden Nationalsozialismus und dessen Gottlosigkeit öffentlich kritisiert. Mit der Besatzung der Niederlande durch die deutsche Wehrmacht engagierte sich Titus Brandsma im intellektuellen Widerstand. Besonderen Einfluss nahm er auf die Verantwortlichen der niederländischen Medien.
Am 19. Januar 1942 wurde Pater Titus im Kloster Boxmeer festgenommen und inhaftiert. Am 19. Juni 1942 folgte die Deportation ins Konzentrationslager Dachau. Dort verschlechterte sich sein Gesundheitszustand zusehends. Nachdem man an ihm medizinische Experimente vorgenommen hatte, wurde er am 26. Juli 1942 mit einer Giftspritze ermordet.
Ein Blick in die Zukunft: Was könnte die hl. Titus Brandsma von mir wollen?
Wer den hl. Titus Brandsma gekannt und erlebt hat, wird wohl nicht auf die Idee gekommen sein, dass man es mit einem Heiligen zu tun hatte. Brandsma war nicht ohne Eitelkeiten und Jähzorn. Ebenso mag er die Gewalt des Nationalsozialismus mit einer gewissen dialogbereiten Naivität unterschätzt haben. Einig sind sich aber seine Zeitzeugen darin, dass Titus Brandsma immer schon das Zeug zum Märtyrer hatte. Da waren sein Mut, seine Tatkraft, sein radikales Eintreten für christliche Werte, seine authentische Nächsten- und Gottesliebe.
Als Philosoph war Titus Brandsma die Auseinandersetzung und den Dialog mit Atheisten und Agnostikern gewohnt. Dass Menschen Gott in Frage stellen, war für ihn eine Normalität. Gegen die absolutistische, ungenierte und aggressive Gottlosigkeit und die damit verbundene Menschenverachtung der Nazi-Ideologie aber hat er sich aufgelehnt. Sein eingangs wiedergegebenes Zitat macht deutlich, dass des dem Heiligen nicht nur darum ging andere zu kritisieren. Er fragt dezidiert nach unserem bleibenden Auftrag, wenn es um die Sache Gottes geht. Gott muss unter allen Umständen für andere erfahrbar sein. Die Kreativität, das umzusetzen ist jeder getauften Person gegeben. Den Ernst dieses missionarischen Auftrages unterstreich das Blutzeugnis des hl. Titus auf einmalige Weise
Gebet
Heiliger Titus Brandsma,
als Ordensmann hast Du Gott aufrichtig gesucht,
als Priester hast Du anderen Gottes Gegenwart zugänglich gemacht,
als Prediger hast Du Gottes Wort verständlich gemacht,
als Philosoph hast Du Gottes Geheimnis immer wieder neu reflektiert.
Ich bitte Dich um Kraft und Zuversicht für mein Leben aus dem Glauben,
dass ich meine Gottsuche niemals aufgebe,
dass ich Gottes Gegenwart unter allem Umständen bezeuge,
dass ich immer mehr lerne von Gott angemessen zu reden,
dass ich Gottes Geheimnis zum Grund und Ziel meines Lebens mache.
Das erbitte ich auf Deine Fürsprache von Gott, durch Christus unseren Herrn.