Tötung auf Verlangen wird Normalität
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Donnerstag, 29. August 2024
Pflegeforscher warnt:

Tötung auf Verlangen wird Normalität

Stuttgart - Nach Einschätzung des Pflegewissenschaftlers Andreas Heller wird das Sterben zunehmend auf einen medizinisch-technischen Vorgang reduziert. „Je nachdrücklicher und endgültiger Sterben auf ein medizinisch-technisches Projekt verengt wird, desto mehr wird sich auch die Euthanasie, also die Tötung auf Verlangen durch Dritte, als Normalvollzug durchsetzen“, warnt Heller in einem Gastbeitrag für das „Katholische Sonntagsblatt“ in der Diözese Rottenburg-Stuttgart (Ausgabe vom 1. September).

Der „medizinisch-technisch verwaltete Tod“ werde dabei als angeblich selbstbestimmt tituliert, kritisiert Heller, der auch katholischer Theologe ist. Das Lebensende werde heute „zum Projekt der Selbstabschaltung, das gestaltet, geplant werden will“. Den assistierten Suizid könne man deshalb „wohl als einen Schritt zur medizinisch organisierten, überwachten, kontrollierten, projektierten Tötung ansehen“, schreibt der emeritierte Professor für Palliative Care und Organisationsethik an der Universität Graz. Der assistierte Suizid öffne so „den Weg in einen Wellness-Freitod, bei dem der Betroffene das tut, was er schon immer gelernt hat zu tun: sich als Konsument von Gesundheitsdienstleistungen zu verstehen“.

Zwei Fraktionen leisteten Widerstand gegen diese Entwicklung: Zum einen religiöse Institutionen, speziell die katholische Kirche. Sie verweise „auf den Schöpfungszusammenhang, der das Leben als Gabe begreift“ und erhalte „das Tötungsverbot aufrecht“. Widerstand leisteten auch Hospizarbeit und Palliativ-Care-Einrichtungen, so Heller, der Sprecher des wissenschaftlichen Beirats des Deutschen Hospiz- und Palliativverbandes in Berlin ist.

Demgegenüber stützten „vor allem neoliberale Kräfte, die - ob grün, rot oder gelb, vielleicht sogar schwarz - in der individualisierten Zivilisation verankert sind, das 'Recht' auf den selbstbestimmten Tod“. Den Weg in den selbstgewählten Tod werde man zwar niemandem verbieten können oder wollen, resümiert Heller. „Aber wir arbeiten gerade an der Verstaatlichung und Verdienstleistung des Suizids.“ Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe für nichtig erklärt. Seitdem wird eine gesellschaftliche und parlamentarische Diskussion um eine gesetzliche Neuregelung geführt. (KNA)