Friedrich Schorlemmer - zum Tod eines wortgewaltigen Mahners
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Mittwoch, 11. September 2024
Porträt:

Friedrich Schorlemmer - zum Tod eines wortgewaltigen Mahners

Wittenberg - Der evangelische Theologe und Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer galt als wortgewaltigen Einmischer und Mahner. Die mitteldeutsche Landesbischöfin Ilse Junkermann schrieb über ihn: „Die Freiheit der Gedanken und der Rede, für die er jahrzehntelang gekämpft hat, sind für ihn keine Theorie.“ Die von ihm begründete Aktion „Schwerter zu Pflugscharen“ war 1983 spektakulärer Höhepunkt der Friedensbewegung in der DDR und machte ihn international bekannt.

Ein Mann klarer Worte

Aber auch im wiedervereinigten Deutschland erhob der Mann klarer Worte immer wieder seine Stimme in Kirche und Politik. Im April 2022 machte er seine Demenz-Erkrankung, einhergehend mit Parkinson, öffentlich und lebte seitdem zurückgezogen, zuletzt in einem Pflegeheim in Berlin. Am Sonntag starb Schorlemmer im Alter 80 Jahren.

Als Sohn eines Pfarrers kam er 1944 im brandenburgischen Wittenberge zur Welt und wuchs in der Altmark auf. Das DDR-Regime verweigerte ihm den Zugang zur Erweiterten Oberschule. So absolvierte Schorlemmer 1962 sein Abitur an der Volkshochschule, der Abendschule im DDR-Bildungssystem, und studierte im Anschluss evangelische Theologie in Halle. Es folgten Stationen als Jugend- und Studentenpfarrer in Merseburg.

Pfarrer in der DDR

1978 kam Schorlemmer in die Lutherstadt Wittenberg, wo er bis vor gut zwei Jahren lebte. Zunächst wirkte er als Dozent am dortigen Predigerseminar und als Prediger an der Schlosskirche, an die Reformator Martin Luther einst seine Thesen geschlagen haben soll und wo er begraben ist. Vielleicht waren beide einander in manchem Aufbegehren gegen Kirche und Staat nicht unähnlich. Als Schorlemmer beim Kirchentag in Wittenberg 1983 im Lutherhof vor rund 1.000 Menschen symbolträchtig ein Schwert zur Pflugschar schmieden ließ, war die Stasi gleichermaßen überrumpelt wie alarmiert und machte noch am selben Abend Meldung nach Berlin. Die Friedensbewegung in der DDR nahm derweil an Fahrt auf. 

Die Freiheit der Gedanken und der Rede, für die er jahrzehntelang gekämpft hat, sind für ihn keine Theorie.

Landesbischöfin Ilse Junkermann

Politisches Engagement

Im September 1989 gehörte Schorlemmer wie sein Pfarrerkollege Rainer Eppelmann zu den Mitbegründern des „Demokratischen Aufbruchs“, trat aber wenige Monate danach, als sich die Partei in den Wendewirren von linken Positionen abkehrte, wieder aus und später in die SPD ein. Von 1992 bis 2007 war Schorlemmer Studienleiter an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt, die ihren Sitz ebenfalls in Wittenberg hat. Weit darüber hinaus wurden indes seine friedenspolitischen Statements gehört. Schorlemmer gehörte zu den Gegnern des Militäreinsatzes im Afghanistankrieg ab 2001 und des Irakkriegs ab 2003. Seit 2009 war er Mitglied im globalisierungs-kritischen Netzwerk Attac. Als Schorlemmer 1993 den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhielt, hieß es zur Begründung, er habe „integer in der DDR gelebt“ und kämpfe „heute für die Beseitigung neuer innerer Mauern mit einer Sprache, die von Versöhnungsbereitschaft getragen ist“. Beredtes Beispiel dafür ist auch das Buch, dass er 2015 zusammen mit dem früheren SED-Mitglied und späteren Linken-Politiker Gregor Gysi schrieb: „Was bleiben wird: Ein Gespräch über Herkunft und Zukunft.“

Ermutigend und solidarisch

In der Flüchtlingsfrage mahnte Schorlemmer immer wieder solidarische Lösungen an. Mit Sorge verfolgte er die Entwicklung der AfD und sah die Demokratie dadurch „auf dem Prüfstand“. Eindringlich mahnte er: „Ich glaube, wir sollten nicht über jedes Stöckchen, das die AfD hinhält, springen, sollten uns von dem Hass nicht anstecken lassen und durchschaubar machen, mit welchen Winkelzügen die AfD versucht, das parlamentarische System auszuhebeln.“

Auch seine Kirche rief der Theologe immer wieder eindringlich zur kritischen Selbstreflexion auf. Aufmerksamkeit erregte 2017 die Streitschrift „Reformation in der Krise“, in der er eine ernüchternde Bilanz des Reformationsgedenkens zog: „Es ist leider kaum etwas erkennbar, was mir Mut macht, dass Kirche sich wieder hinwendet zum Alltag der Menschen oder die Gemeinden vor Ort stärkt.“ Zugleich wollte er die Kritik als Ansporn zum konstruktiven Weiterdenken verstanden wissen: „Wir wollen ermutigen statt verstummend zu resignieren.“