Der Tod als Geburtsstunde des Lebens
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Mittwoch, 1. November 2023
Gedanken zu Allerseelen

Der Tod als Geburtsstunde des Lebens

Eine jüdische Geschichte erzählt von einem Rabbi, der vom Gebet nach Hause kommt und seine beiden Söhne vermisst. Er fragt seine Frau: „Wo sind meine beiden Söhne?“ Sie antwortet: „Sie sind ein wenig fortgegangen.“ Als sie lange nicht kommen, wird der Rabbi unruhig und fragt erneut: „Wo sind meine beiden Söhne?“ Da sagt seine Frau: „Ich will dich etwas fragen. Vor einiger Zeit kam ein Fremder zu mir und gab mir zwei Perlen, damit ich sie aufbewahre. Ich habe mich so an ihnen gefreut, als gehörten sie mir. Als du heute fort warst, kam er wieder und verlangte sie zurück. Soll ich ihm die Perlen zurückgeben?“ „Wie kannst du überhaupt fragen“, empört sich der Rabbi, „anvertrautes Gut muss man immer zurückgeben.“ – „Ich bin auch bereit dazu“, sagte die Frau. „Aber ich will es nicht ohne dein Wissen tun; denn auch du hattest dir angewöhnt, die Perlen als dein Eigentum zu betrachten.“ Da sagte der Rabbi mit bebender Stimme: „Wo sind meine beiden Perlen?“ Da nahm ihn seine Frau bei der Hand und sagte: „Sie hatten einen Unfall und sind gestorben. Du hast mir gesagt, dass ich das anvertraute Gut zurückgeben muss. Du weißt, wie es im Buch Hiob heißt: „Der Herr ist es, der gibt und nimmt. Sein Name sei gelobt.“

Jesus hat seinen Jüngern versprochen: „Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten“ (Joh 14,2). Eine der stärksten Aussagen kennen wir alle von der Passion Jesu. Der reumütige Schächer, der neben ihm am Kreuz hängt, einer, dem wirklich nicht viel gelang in seinem Leben, verspricht Jesus:

Amen, ich sage dir: Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.

Lk 23,43

Wenn wir unserer Toten gedenken, dann dürfen wir dies tun im Glauben, dass sie bei Gott in guten Händen sind. Es hat Zeiten gegeben in der Geschichte unseres Glaubens, da nannte man den Sterbetag „Dies natalis“ – „Geburtstag“. Der Tod war sozusagen die Geburtsstunde des Lebens.
Von der heiligen Theresia von Avila wird erzählt, dass sie die Trauergesänge am Sarg einer toten Mitschwester verbot, stattdessen sangen die Schwestern frohe Lieder und tanzten, weil ihre Schwester eingegangen war in das ewige Leben bei Gott.
Auch unsere Verstorbenen sind bei Gott. Er ist ein Gott der Lebenden, der das Heil aller Menschen will. In dieser Zuversicht dürfen wir heute der Verstorbenen gedenken.