Arme glauben seltener an funktionierende Demokratie
Düsseldorf- Arme Menschen sind laut einer Studie mit der Demokratie weniger zufrieden. Nur 59 Prozent der Menschen unterhalb der Armutsgrenze finden, diese Staatsform funktioniere hierzulande gut, wie die Hans-Böckler-Stiftung am Donnerstag in Düsseldorf mitteilte. Das seien 11 Prozentpunkte weniger als in der Gesamtbevölkerung. Nur 68 Prozent der Armen hielten die Demokratie für die beste Staatsform - 14 Prozentpunkte weniger als in der Gesamtbevölkerung.
Die Stiftung bezog sich auf den „Verteilungsbericht“ der Soziologin Dorothee Spannagel und der Volkswirtschaftlerin Aline Zucco vom hauseigenen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) in Düsseldorf. „Armut und soziale Polarisierung können die Grundfesten unseres demokratischen Miteinanders ins Wanken bringen“, warnte WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch. „Mehr und wirksameres politisches Engagement gegen Armut ist also nicht nur notwendig, um den direkt Betroffenen zu helfen, sondern auch, um die Gesellschaft zusammenzuhalten.“
In der Dekade vor der Corona-Krise - also zwischen 2010 und 2019 - stieg die Armutsquote laut Verteilungsbericht von 14,3 auf 16,8 Prozent. Somit seien schon vor der Pandemie bundesweit so viele Menschen wie nie zuvor von Armut betroffen gewesen. „Hier zeigt sich, dass die armen Haushalte von diesem Aufschwung nicht profitieren konnten, sondern den Anschluss daran verlieren“, so Spannagel und Zucco.
Aktuelle Umfragen der Hans-Boeckler-Stiftung zeigten zudem, dass sich wegen Ukraine-Krise und hoher Inflation mehr als zwei Drittel der Befragten mit einem Haushaltseinkommen unter 2.000 Euro netto im Monat bei Ausgaben für Bekleidung oder Schuhe einschränken wollen, so die Stiftung. Knapp 35 Prozent wollten beim Kauf von Lebensmitteln kürzertreten. Spannagel und Zucco fordern höhere Löhne für Geringverdienende, mehr Grundsicherung, mehr sozialen Wohnraum, eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie Berufsqualifizierung für Menschen mit niedrigem Einkommen.
Für ihre Analyse werteten die Forscherinnen verschiedene Daten aus, etwa vorangegangene WSI-Umfragen sowie das sozio-ökonomische Panel, für das jährlich rund 16.000 Haushalte interviewt werden. Als arm bezeichnen sie Menschen, deren Nettoeinkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland beträgt. Dieser Schwellenwert lag laut Statistischem Bundesamt für eine alleinlebende Person im vergangenen Jahr bei 15.009 Euro netto im Jahr bzw. 1.251 Euro im Monat. (KNA)