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Deutschland
Dienstag, 27. September 2022

Mobilität für die Mission

In Namibia ist der deutsche Missionar Pater Otto Fuhrmann an Malaria erkrankt; eine Lungenentzündung kommt dann noch dazu. Fuhrmann befindet sich in seiner Missionsstation, weit weg vom nächsten größeren Ort. Um ihn zu retten, machen sich die Menschen vor Ort mit einem Ochsenkarren auf den Weg; als der im Morast stecken bleibt, tragen sie den Missionar zu Fuss. Nach fünf Tagen Reise kommen sie endlich im nächsten Krankenhaus an. Doch zu spät. Pater Fuhrmann stirbt am 23. Juni 1925.

Für einen Studienfreund Fuhrmanns ist das die Initialzündung für eine Vision. Hätte es für die Missionsstation ein schnelleres Transportmittel gegeben, sein Freund könnte noch am Leben sein. Damit erkennt Pater Paul Schulte von den Oblatenmissionaren die Bedeutung der Mobilität für die Mission. Um das Geld für Mobilitäts-Projekte einzusammeln, gründet er am 22. März 1927 die Missions-Verkehrs-Arbeitsgemeinschaft begründet, kurz MIVA.

Der fliegende Pater

Paul Schulte wurde 1895 in Magdeburg geboren. Er besuchte die deutsche Auslandsschule der Oblatenmissionare in Valkenburg in den Niederlanden. Mit 18 Jahren trat er 1913 ins Noviziat der Oblaten ein. 1914 begann er an der Hochschule der Oblaten in Hünfeld das Theologiestudium. Ab 1915 war er Sanitäter im Ersten Weltkrieg. Als Soldat wurde er 1917 zum Jagdpiloten ausgebildet. Nach Kriegsende setzte er sein Studium fort und wurde 1922 zum Priester geweiht.

Doch die Fliegerei ließ Schulte nicht los. 1926 machte er seinen zivilen Flugschein, erhielt aber zunächst von seinen Ordensoberen Flugverbot.

Ein Jahr später gründete er die erste MIVA, damals noch MIVAG abgekürzt, in Köln. Sein Wahlspruch lautete: "Obviam Christo" – "Christus entgegen – zu Lande, zu Wasser und in der Luft".

Erster Vorsitzender war Konrad Adenauer, damals Kölner Oberbürgermeister und späterer Bundeskanzler. Bis 1933 konnten vierzehn Flugzeuge und hunderte Autos für die Mission bereitgestellt werden.

Auch Schulte selbst flog für die Mission, vor allem ins südliche Afrika. Bekanntheit erlange er unter anderem durch sein Buch „Der fliegende Pater“ von 1934. 1936 setzte er dann die erste Messe in der Luft durch: An Bord des Luftschiffs Hindenburg.

Schulte wirkte danach als Missionar in Kanada, bis er 1939 als Deutscher wegen des Zweiten Weltkrieges in die USA ausweichen musste. Auch dort konnte er sein Engagement nach dem Kriegseintritt der Vereinigten Staaten nur noch eingeschränkt fortsetzen. Nach dem Krieg blieb er zunächst in Amerika und organisierte von dort aus Hilfslieferungen nach Deutschland.

Der gelbe Bus

Mit der MIVA als Organisation für die ausländischen Missionen ging es 1949 in Deutschland nicht weiter. Die Deutschen Bischofskonferenz präferierte eine Diaspora-MIVA: Durch die Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten war die konfessionelle Landkarte Deutschlands durcheinandergeraten. Wo es früher kaum Katholiken gab, mussten auf einmal viel mehr Gläubige versorgt werden. Dabei sollte die Diaspora-MIVA helfen. Das Ziel: die Seelsorger in den Diaspora-Gebieten mit Fahrzeugen zu versorgen, damit sie schneller die weiten Strecken zurücklegen konnten. In den nächsten Jahrzehnten blieb der fliegende Pater in Deutschland und fungierte als Präsident der Diaspora-MIVA.

Die neue Organisation wurde in den Bonifatiusverein integriert, heute Bonifatiuswerk, der traditionell für die Förderung der Diaspora zuständig war. Seit Beginn der Arbeit der Diaspora-MIVA wurden über 3.000 Fahrzeuge finanziert. Das Wirken der MIVA-Verkehrshilfe des Bonfatiuswerkes ist heute noch vielen Katholiken präsent: Die gelben BONI-Busse.

„Für jeden unfallfreien Kilometer einen Groschen“

Doch die MIVA-Idee hatte sich da längst international verbreitet. Schon vor dem Zweiten Weltkrieg hatten sich Organisationen in zwei weiteren Ländern gegründet: In der Schweiz 1932 und in den Niederlanden 1935. Dort gibt es sie noch heute.

Nach dem Krieg entstand zudem in Österreich ein Ableger der MIVA-Idee. Initiator war der erste Geschäftsführer Karl Kumpfmüller.

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Deswegen entwickelte Kumpfmüller eine neue Kampagne: Die Christophorus-Aktion. Sie ist bis heute die wichtigste Kampagne der österreichischen MIVA. Kumpfmüller warb unter dem Motto: „Für jeden unfallfreien Kilometer einen Groschen für ein Missionsauto.“ Das sind nun 1/10-Cent. Der Gedenktag des hl. Christophorus ist der 24. Juli. Am Sonntag, der diesem Datum am nächsten liegt, wird in vielen Gottesdiensten der beteiligten Pfarreien auf das Anliegen der Mission hingewiesen. Häufig finden nach den Gottesdiensten an diesen Sonntagen auf Fahrzeugsegnungen statt. Die Aktion gibt es auch in anderen Ländern, etwa in der Schweiz.

Noch immer ist die MIVA-Austria erfolgreich: 2021 kamen allein bei der Christophorus Aktion 1,71 Millionen Euro zusammen; insgesamt nahm sie ca. 4 Millionen Euro an Spenden ein. 2021 wurden damit 1.246 Fahrräder, 165 Maultiere, 222 Autos, fünf Busse, ein LKW, 101 Motorräder, zwei Traktoren, zwei Boote, eine Rikscha und 42 Rollstühle (mit)finanziert.

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MIVA-Autos im Einsatz in Tansania

Sprung nach Übersee

Aber auch außerhalb Europas ist die MIVA-Idee nicht nur bei den Empfängern von Fahrzeugen präsent. 1971 sprang der Gedanke nach Amerika über, wo sich eine eigene MIVA gründete; seit 1981 ist sie auch in Asien vertreten, in Südkorea. Mittlerweile gibt es MIVA-Organisationen in 12 Ländern. Die einzelnen Institutionen sind häufig miteinander vernetzt, sind aber institutionell unabhängig.

Auch für den fliegenden Pater wurde es am Ende seines Lebens wieder international. 1970 schied er aus gesundheitlichen Gründen aus der Leitung der Diaspora-MIVA aus. Einst hatte er seine Idee aus Afrika empfangen. Und Afrika ließ den mittlerweile 75-Jährigen auch nunmehr nicht los. Seinen Lebensabend verbrachte er in Swakopmund, Namibia, wo er am siebten Januar 1974 starb.