Nahrung für Körper und Seele
Seit 30 Jahren arbeitet Vincenzo Bordo als Missionar in Südkorea. Besonders kümmert sich besonders um Bedürftige und Obdachlose. Zwei Jahre nach seiner Ankunft in Korea begann er seinen Dienst als Seelsorger für die Armen in der Stadt Seongnam.
Im Jahr 1993 eröffnete er das Annahaus, eine Suppenküche für Bedürftige, die erste überhaupt in Südkorea. Jeden Tag bereitet der Oblatenpater gemeinsam mit einem Team von Ehrenamtlichen ein Abendessen für 550 Menschen zu. Außerdem dient das Annahaus als Anlaufstelle und Unterkunft für jugendliche Ausreißer.
Jeden Tag sechs Stunden Küchendienst
Der Küchendienst beginnt um 13.00 Uhr. Rund sechs Stunden brauchen Pater Bordo und etwa 20 Ehrenamtliche, um das Abendessen für ihre Gäste vorzubereiten. Die Arbeit startet mit einem Gebet. Bevor das Essen ausgegeben wird, erinnert der Oblate alle daran, dass es nicht nur darum geht, Mahlzeiten zu verteilen, sondern auch darum, Freundlichkeit und Liebe auszustrahlen:
„Du kannst das schmackhafteste Essen zubereiten; wenn du es lieblos ausgibst, macht es zwar satt, nährt aber die Seele nicht“. Genau das aber ist dem Missionar sehr wichtig. Deshalb begrüßt er jeden einzelnen seiner Gäste auch persönlich.
Natürlich ist eine solche Aufgabe nicht allein zu bewältigen. Die Finanzierung der Einrichtung wird zur Hälfte vom südkoreanischen Staat getragen, die anderen 50 Prozent werden durch Spenden aus Nordamerika, Europa und Südkorea abgedeckt.
Dienst für Bedürftige macht Freude
Vor allem aber wird Projekt von Ehrenamtlichen getragen. Deren Arbeit ist so organisiert, dass die meisten an einem Tag im Monat zum Helfen kommen. Es gibt 30 Teams mit je 20 Freiwilligen.
Einer von ihnen ist Johannes. Er ist ein erfolgreicher Unternehmer. Er hat eine eigene Firma aufgebaut und beschäftigt 200 Mitarbeiter. Das ermöglicht ihm ein komfortables Leben mit einem schönen Haus, großen Autos, Abendessen in teuren Restaurants, Erholung in luxuriösen Hotels und auf Golfplätzen.
Sein Leben lief eine ganze Weile in diesem Stil, bis er eines Tages ins Annahaus kam. „Seitdem“, so erzählt er, „hat sich mein Leben völlig verändert. Ich wusste nicht, dass es in Korea so viele arme Menschen gibt und dass es so viele großzügige Menschen gibt, die bereit sind, sich für andere in die Pflicht nehmen zu lassen, und freiwillig zu helfen. Ich war wirklich schockiert. Von diesem Tag an hörte ich auf, mich von einem Fahrer zur Arbeit bringen zu lassen.“
Johannes benutzte nur noch öffentliche Verkehrsmittel, spielte nie wieder Golf und ging nicht mehr in teure Restaurants und Hotels. „All das Geld, das ich so gespart habe, plus noch ein bisschen mehr, habe ich am Ende des Monats den Bedürftigen gespendet“.
Außerdem, berichtet er, arbeitet er seit fünf Jahren jeden Samstag und seinen gesamten Urlaub ehrenamtlich im Annahaus. „Ich vermisse das Leben der Vergangenheit überhaupt nicht, im Gegenteil, ich war noch nie so voller Freude“.
Herausforderung Corona
Mit dem Ausbruch des Coronavirus standen Vincenzo Bordo und seine Mitstreiter vor einer großen Herausforderung. Was ist die richtige Reaktion angesichts der Ansteckungsgefahr? Sollte die Suppenküche geschlossen oder wie gewohnt weitergeführt werden?
Diese Frage trieb ihn um, berichtet er auf seiner Facebook-Seite. Er schreibt: „Alarmiert und besorgt über das COVID-19-Virus fragten mich viele Freunde nach der Situation hier in Korea“.
„Es kamen mehrere Schreiben von der Verwaltung und anderen Gruppen, in denen sie uns aufforderten, man könnte auch sagen, unter Druck setzten, die Suppenküche zugunsten des Gemeinwohls zu schließen“, so der Missionar.
Weiter führt er aus: „Es ist einfach, Turnhallen zu schließen ... ohne Sport kann man leben. Es ist leicht, Konzerte zu verbieten ... ohne Musik geht das Leben weiter. Schulen und Universitäten können für eine gewisse Zeit geschlossen werden. Was man nicht kann, ist einfach eine Suppenküche schließen, die 550 Mahlzeiten am Tag für Bedürftige serviert, vor allem, wenn das für 70 Prozent von ihnen die einzige Mahlzeit des Tages ist. Ohne ausreichendes und nahrhaftes Essen werden sie diese an sich schon schwierige Situation nicht überstehen“.
Pater Bordo musste eine heikle Entscheidung treffen und das hat ihm eine schlaflose Nacht beschert, wie er berichtet. Einfach die Essensausgabe einzustellen war für ihn keine Option:
„Es ist nicht fair und wir können unsere armen Brüder und Schwestern in Zeiten größter Not nicht im Stich lassen und uns von ihnen abwenden“.
Das haben er und das Team vom Annahaus auch nicht getan. Das Essen wird weiterhin zubereitet und portionsweise abgepackt. Die Essensausgabe erfolgt jetzt nicht mehr im Speisesaal, sondern im Freien. Das ist nicht so bequem wie vorher, aber es ist eine Lösung, die hilft.
Wo das Essen ausgegeben wird und wo es gegessen wird, ist in dieser Situation zweitrangig; wichtig ist, dass die Bedürftigen eine Mahlzeit bekommen und dass ihnen auch in Zeiten von notwendiger Distanzierung mit Liebe und Respekt begegnet wird.
Medizinische Hilfe ermöglichen
Die medizinische Versorgung des Annahauses musste dagegen während der Corona-Krise ganz eingestellt werden.
Erst seit der Karwoche 2023 kann die innere Ambulanz im Anna-Haus wieder betrieben werden. "Die notleidenden Brüder und Schwestern, die zu uns ins Sozialzentrum kommen, sind nicht nur hungrig, sondern benötigen vielfach auch medizinische Hilfe", so Pater Vincenzo Bordo.
Im April diesen Jahres wurde die medizinische Versorgung mit Hilfe des Jungwon District Health Center wieder aufgenommen. Pater Bordo: "Dass das so kurz vor Ostern geschehen konnte, ist für mich ein schönes Zeichen. In der Woche, in der wir Christen an den Tod und die Auferstehung Jesu gedacht haben, ist es besonders naheliegend Nächstenliebe zu üben. Als die Ambulanz in der Karwoche ihren Dienst wiederaufgenommen hat und ich mir die Wunden derer ansah, die zur Behandlung kamen, habe ich darin auch die Wunden der tiefen Liebe Jesu gesehen."