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Montag, 25. September 2023

Durchhalten und die Gerechtigkeit triumphieren lassen

Bei uns in Guinea-Bissau ist Zwangsheirat ein großes Problem. Die Tochter heiratet im Alter von fünfzehn Jahren oder sogar noch jünger einen ihr meist unbekannten Mann. Der ist nicht nur viel älter als sie, sondern auch oft bereits verheiratet. Polygamie ist in Guinea- Bissau möglich.

Das Familienoberhaupt, also der Vater oder der Onkel, wenn der Vater bereits verstorben ist, trifft Vereinbarungen mit dem zukünftigen Schwiegersohn und erhält von ihm beträchtliche Geschenke. Das Datum wird festgelegt, und wenn der Tag kommt, muss die versprochene Braut gehen, ob sie will oder nicht. Ich habe viele solcher Fälle erlebt. Von einem, der etwa zehn Jahre zurückliegt, möchte ich euch berichten. Ich war damals Seelsorger an einer von Schwestern geleiteten Schule.

Ein weinendes Mädchen

Eines Tages erzählten mir die Schwestern, dass Lucia, ein 15-jähriges Mädchen, weinend zu ihnen gekommen sei. Ihr Vater hatte beschlossen, dass sie einen deutlich älteren Mann heiraten sollte, den sie nicht kannte und der bereits mehrere Ehefrauen hatte. Die Hochzeit sollte in drei Monaten stattfinden.

Ich ging zu ihrem Vater, um mit ihm zu sprechen. Für ihn war die Hochzeit beschlossene Sache und eine Absage würde bedeuten, dass er seine Ehre verlieren würde, wenn er sein Versprechen bräche. So durfte die Angelegenheit nicht enden; ich war entschlossen, Lucia zu helfen. Ich erkundigte mich bei verschiedenen Leuten und bekam schließlich Kontakt zu einer Richterin für Kinderrechte, die im Justizministerium arbeitete.

Es gibt Gesetze, aber ...

Sie hörte sich Lucias Geschichte aufmerksam an. Am Ende sagte sie zu mir: „Deshalb sind wir hier. Es gibt Gesetze in Guinea und wir sind hier, um sie durchzusetzen. Tatsache ist, dass viele Menschen dies nicht wissen, und selbst wenn sie es wüssten, hätten sie Angst vor den schweren Vergeltungsmaßnahmen, die von ihren Familien oder den Menschen im Dorf ausgehen könnten“. Im Fall von Lucia sagte sie mir, dass ich zurückkommen müsse, um das Problem zu lösen, aber diesmal mit Lucia und ihrem Ausweis.

Als ich Lucia zur Richterin brachte, hörte sie sich die Geschichte aufmerksam an und stellte konkrete Fragen. Es wurde auch bestätigt, dass Lucia erst 15 Jahre alt war. Die Richterin versprach dem Mädchen, dass sie ihr aus diesem Alptraum heraushelfen würde. Damit alles rechtlich korrekt sei, müsse sie aber mit ihrem Vater zurückkehren, der dann eine Erklärung unterzeichnen sollte, in der er seiner Tochter die Freiheit geben würde, ihr Studium abzuschließen und zu heiraten, wann und wen immer sie wollte. An dieser Stelle antwortete Lucia: „Mein Vater wird das niemals akzeptieren. Wenn er wüsste, dass ich hier bin, würde er mich umbringen.“ Die Richterin antwortete: „Keine Sorge, wir haben unsere eigenen Methoden. Dein Vater wird nie erfahren, dass du hier warst. Überlass das uns.“

Langsame Versöhnung

Eine Woche später wurden Vater und Tochter zur Richterin einbestellt. Die Richterin machte dem Vater klar, dass er die Tochter nicht gegen ihren Willen verheiraten durfte, und drohte ihm eine Gefängnisstrafe an, wenn er seiner Tochter nicht erlauben würde, selber zu entscheiden, wann immer und wen immer sie heiraten will.

Die Jahre vergingen. Lucia absolvierte nach dem Schulabschluss eine Ausbildung zur Krankenschwester. Zur gleichen Zeit heiratete sie Domingos, mit dem sie nun ein kleines Mädchen, Miriam, hat. Lucias Vater wollte anfangs weder etwas von seiner Tochter noch von seinem Schwiegersohn wissen - aber mit der Zeit versöhnte er sich mit beiden.

P. Celso Corbioli OMI
Antula, Guinea-Bissau