Kirche kann man nicht allein
Am 21. Mai feiern die Kirche und besonders wir Oblaten das Fest des hl. Eugen von Mazenod, unseres Ordensgründers. Er lebte von 1782 bis 1861 und wurde 1811 zum Priester geweiht. 1816 gründete er in seiner Heimatstadt Aix-en-Provence (Südfrankreich) eine Gemeinschaft von Missionaren, aus der später die Kongregation der Oblatenmissionare wurde.
Eugen von Mazenod hatte als Jugendlicher eine sehr persönliche Gottes- Erfahrung. Dieses Erlebnis war wahrscheinlich nicht nur bedeutsam für Eugens Entscheidung, Priester zu werden, sondern auch für seine große Sehnsucht, den Menschen, besonders den einfachen Menschen auf dem Lande, eine ähnlich befreiende Erfahrung der Liebe Gottes zu ermöglichen.
Im Laufe des Jahres 1815 trifft er die Entscheidung, eine Gemeinschaft von Missionaren zu gründen. Dafür sucht er nun weitere Priester, die von der gleichen Sehnsucht entflammt sind und durch das Predigen von Volksmissionen den Menschen den Glauben näherbringen wollen. Dabei begegnet er dem jungen Priester Auguste Icard, der sofort von seiner Idee begeistert ist. Er schlägt Eugen daraufhin weitere Namen vor: Francois Tempier, Pierre-Nolasque Mie und Sébastien Deblieu. Bald wird sich noch ein weiterer Priester dazugesellen: Emmanuel Fréjus Maunier.
Ein Erster geht wieder
Am 25. Januar 1816 kommen die Missionare offiziell zum ersten Mal zusammen und widmen sich kurz darauf sofort ihrer Aufgabe: Die erste Volksmission wird in der Nähe von Aix gepredigt. Der alte Karmel von Aix ist nun ihr Zuhause.
Der erste Rückschlag folgt aber schon kurz darauf. Auguste Icard muss die Gemeinschaft verlassen. Vermutlich wird er von Eugen von Mazenod aus ihr ausgeschlossen. Es ist uns heute nicht mehr möglich, die genauen Umstände zu rekonstruieren. Eugen war in seinem Urteil jedoch ziemlich deutlich, wenn er schreibt, Icard habe die wenigen Jahre seines Erdenlebens als schlechter Priester verbracht. Gleichzeitig staunt er über die Wege der Vorsehung Gottes: „Kann man glauben, dass derjenige, der mir die Ersten, die ich wählte, nannte, als er sich selber bereiterklärte, sich mir ebenfalls anzuschließen, ein erbärmlicher Priester war, den ich nach der ersten Mission wegschicken musste?“
Vielfältige Gemeinschaft
Trotz dieser Erfahrung erinnert sich der heilige Eugen gerne an den Beginn der kleinen Gemeinschaft. Diese Gemeinschaft besteht aber aus sehr unterschiedlichen Charakteren: P. Tempier (1788–1870) ist ebenfalls ein junger Priester, sogar noch jünger als Eugen. Er wird zum Freund und engen Vertrauten des hl. Eugen, obwohl – oder vielleicht gerade weil – er ganz anders ist: eher zurückhaltend und bedacht. P. Mie (1768–1841) hingegen ist bereits ein erfahrener Priester, der während der Revolutionswirren das Priesterseminar verlassen hatte und einige Jahre später im Geheimen geweiht wurde. Er war weder ein Bürgerlicher noch ein intellektueller Mensch. Er war ein einfacher Priester, der in Armut leben und den Glauben verkünden wollte. Dennoch fügte er sich gut in die neugegründete Gemeinschaft ein und blieb ihr bis zum Tode treu.
Anders die beiden anderen: P. Deblieu (1789–1855) und P. Maunier (1769– 1844). Sie verließen die Gemeinschaft im Jahre 1823. Ersterer ein junger Priester, der zweite wiederum ein Mann mit Lebenserfahrung, der vor seiner Weihe sogar verheiratet war. Maunier trat nach dem Tod seiner Tochter und seiner Frau ins Priesterseminar ein und wurde 1797 geweiht. Trotz ihres Ausscheidens aus der Kongregation hat Eugen beide in guter Erinnerung behalten.
Gemeinsames Fundament
Es ergibt sich also ein interessantes Bild: Eugen gründet eine Gemeinschaft und gewinnt dafür fünf Priester, die sich ihm anschließen wollen, die allerdings unterschiedlicher nicht sein könnten. Dennoch können sie gemeinsam leben und wirken. Es läuft nicht alles perfekt, es gibt Rückschläge und von den ersten sechs Oblaten bleiben nur drei übrig. Trotzdem lebt die Idee und die Begeisterung Eugens und der ersten Oblaten weiter und nach und nach wächst die Gemeinschaft.
Dem hl. Eugen ist es gelungen, Menschen um sich zu scharen, die ein gemeinsames Fundament hatten: Im Zentrum ihres Lebens stand ihr Glaube und ihre große Sehnsucht, Jesus Christus zu verkünden. Jeder hatte aber seine eigene Persönlichkeit und Geschichte. Eugen ging es nicht darum, Mitstreiter zu finden, die ihm gleich sind, sondern Menschen, die einander ergänzen.
Wenn wir auf uns heute schauen, können wir daraus große Hoffnung schöpfen. Wir müssen vor der Verschiedenheit in der Kirche keine Angst haben. Wir haben ein gemeinsames Fundament. Das, was uns verbindet, ist unsere Beziehung zu Jesus Christus und die große Sehnsucht, ihn zu anderen Menschen zu tragen. Jeder Mensch ist anders und das ist gut so. Jeder und jede kann etwas und kann sich auf eigene Weise einbringen.
Letztendlich soll der Begriff Synodalität, der uns nun oft begegnet, genau das ausdrücken: Wir sind verschieden und arbeiten gemeinsam an dem einen großen Ziel, Jesus Christus in der Welt zu bezeugen. Verschiedenheit ist kein Hindernis, sondern eine Chance und eine Tür, durch die der Heilige Geist in der Kirche wirken will. Und ähnlich wie Eugen nach der Erfahrung mit Icard sollten auch wir lernen, hin und wieder zu staunen, dass Gott selbst durch die Menschen wirken kann, von denen wir es vielleicht am wenigsten erwarten.