130 Jahre deutsche Provinz
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Mazenodfamilie
Freitag, 9. Mai 2025

Aufbruch zu einem "fruchtbaren Land"

Der wichtigste Akteur bei der Gründung der Deutschen Provinz der Oblatenmissionare war ein Franzose: Pater Leon Legrand OMI wurde 1854 in Nordfrankreich geboren. Er trat 1882 schon als Priester bei den Oblaten ein. 1884 wurde er Superior des Juniorats in Heer in den Niederlanden, das zur Nordfranzösischen Provinz gehörte.

Vertrieben, nicht entmutigt

Aber wieso lag ein Juniorat der Nordfranzösischen Provinz aber in den Niederlanden?
Zwar sind die Oblatenmissionare seit der Zeit ihres Stifters, des hl. Eugen von Mazenod, eine internationale Gemeinschaft. So wurden Oblaten schon von Eugen nach Kanada, Sri Lanka und in den Süden Afrikas entsandt. Dennoch blieb die Gemeinschaft die ersten Jahrzehnte lang im Kern französisch.

In Frankreich gab es jedoch Probleme. Seit 1877 gab es eine antiklerikale Mehrheit im französischen Parlament, die eine Politik gegen die Orden betrieb. 1880 mussten viele Orden ihre Schulen schließen, zahlreiche Gemeinschaften wurden aufgelöst und ins Ausland verlegt. Auch die Oblaten waren davon betroffen.

Einige Oblaten gingen nach Elsass-Lothringen, das damals zum Deutschen Reich gehörte; andere in die Niederlande, in deren Süden sie 1881 das Noviziat St. Gerlach und 1885 das Missionskolleg St. Karl gründeten. 1890 besuchten schon 150 Schüler das Missionskolleg – die meisten stammten aus Deutschland.

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St. Karl in Valkenburg steht am Beginn der Deutschen Provinz

Ordensleben unter Druck – auch in Deutschland

Denn nicht nur in Frankreich war die Situation für Orden schwierig. Seit 1871 war die kirchliche Lage in Deutschland durch den Kulturkampf geprägt, indem der Staat seinen Einfluss auf die Kirche erhöhen wollte – und die Katholiken sich dagegenstemmten. Das traf auch die Orden: Die Jesuiten und die ihnen verwandten Orden wurden 1872 aus dem Reich verbannt, das Klostergesetz von 1875 beschränkte und verbannte zahlreiche weitere Gemeinschaften.

Kolonien als Eintrittskarte

Erst nach dem Ende des Kulturkampfes 1887 konnten viele Orden wieder nach Deutschland zurückkehren – oft über den Umweg der neuen deutschen Kolonien.
Seit Mitte der 80er Jahre begann Deutschland als Kolonialmacht, sich Gebiete in Afrika zu sichern. Um die dortige Bevölkerung langfristig in ihrem Sinne zu prägen, strebte das Reich eine Christianisierung der Gebiete an.

Dies verstärkte den Missionsgedanken beider Konfessionen im Reich. Doch die Katholiken drohten dabei auf der Strecke zu bleiben. Der Kulturkampf behinderte das Engagement der Orden, der tragenden Säule der Mission.

Doch die Mission war ein anspruchsvolles Werk – und die protestantischen Missionsorganisationen konnten weder genügend Geld noch genügend Personal aufbringen, um die Weiten des neuen Kolonialreiches abzudecken.

Pater Legrand sah in den zahlreichen deutschen Schülern eine Chance, den Oblaten den Weg ins Deutsche Reich zu öffnen. Die Oblaten hatten deutsches Personal – nun brauchten sie auch die Möglichkeit, in den deutschen Kolonien zu missionieren.
Auf Initiative von P. Legrand wurden die Oblaten im November 1890 bei der Propaganda Fide vorstellig, die für die Verteilung der Missionsgebiete in der Welt zuständig war.

Ruf nach Afrika

Die Entscheidung in Rom zog sich freilich in die Länge. Erst im August 1892 errichtete die Propaganda Fide die Apostolische Präfektur Niedercimbebasien und übertrug sie den Oblatenmissionaren.

Doch damit war Pater Legrand nicht zufrieden. Denn für die Reichsregierung in Berlin musste es so aussehen, als würden Franzosen in deutsche Kolonialgebiete geschickt – schließlich war das französische Element immer noch dominant.
So setzte sich Pater Legrand für einen Zusatz in der Propaganda Fide ein, in dem das Kolleg mit seinen deutschen Schülern genannt wurde. Im Dezember 1793 erließ die Kongregation den gewünschten Zusatz.

Damit war P. Legrand seinem Ziel, eine Provinz und ein Haus in Deutschland zu gründen, einen Schritt näher gekommen.

Berlin muss überzeugt werden

Als Nächstes mussten die Oblaten bei der Regierung in Berlin vorstellig werden. Dazu schickte P. Legrand einen deutschen Oblaten, P. August Hess. Als Franzose hätte er das Misstrauen der Regierung erregt.

Ab Mitte 1793 begann Pater Hess mit der innerkirchlichen Vorarbeit in Deutschland, unter anderem mit einem Besuch bei Fürstbischof Kopp von Breslau, einem der einflussreichsten Geistlichen in Deutschland.

In Gesprächen mit den Berliner Ministerien wurde die französische Dominanz der Oblaten heruntergespielt und die Gemeinschaft internationaler dargestellt, als sie tatsächlich war.

Flexibel, aber unbeirrbar im Ziel

Doch die Regierung machte für die Mission im Süden Afrikas einige Auflagen:
Die erste war leicht zu erfüllen: Die Oblaten durften nur dort missionieren, wo noch keine protestantischen Missionare aktiv waren.

Die zweite Auflage wog schwerer: Die deutsche Provinz, die die Mission tragen würde, sollte allein der Kongregation in Rom unterstehen – das Generalhaus in Frankreich sollte außen vor bleiben.

Das brachte die Oblaten in Verlegenheit. Sie waren nicht bereit, die Einheit der Gemeinschaft zu opfern. Doch stimmte man einer Erklärung der Propaganda an die preußische Regierung zu, laut der die neu errichtete Provinz in allen kirchlichen Verwaltungsangelegenheiten der Propaganda Fide unterstehe; zudem sollte der Provinzial immer ein Deutscher sein.

Die Oblaten waren mit ihrem Engagement und ihrer Flexibilität erfolgreich. 1896 gingen in Namibia, damals Deutsch-Südwestafrika, die ersten Oblaten an Land.

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Um die Jahrhundertwende schreitet der Bau des Bonifatiusklosters Schritt für Schritt voran

Ein Ort des Aufbruchs entsteht

Parallel schritt auch die Ankunft der Oblaten in Deutschland voran. 1894 errichtete die Propaganda Fide die Deutsche Provinz. Im gleichen Jahr genehmigte die preußische Regierung eine Niederlassung der Oblaten im Raum Fulda.

Am 4. Mai 1895 wird der erste Provinzial, Pater Simon Scharsch, ernannt. Doch zur Provinz gehörte nicht nur das Haus in Hünfeld – das zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht existierte.

Pater Legrand hatte sich erfolgreich dafür eingesetzt, das Haus in Elsass-Lothringen, das Juniorat St. Karl und das Noviziat in St. Gerlach in den Niederlanden aus der nordfranzösischen Provinz herauszulösen.

Im Juli 1895 bot der Stadtrat von Hünfeld an, die Oblaten beim Bau des Bonifatiusklosters zu unterstützen. Am 5. August bezogen die ersten Oblaten das „Rathauskloster“ im Sitz des Bürgermeisters. Am 17. März 1896 begann der Bau des Bonifatiusklosters, das als Theologische Hochschule und Provinzialat dienen würde.

Am 5. Mai 1895 hatte der Generalobere Soullier alle Oblaten über die Errichtung der deutschen Provinz informiert: „Deutschland ist ein fruchtbares Land …“