
Wie kann Bildung für alle Kinder ermöglicht werden?
Ein Raum, in dem jedes Kind zählt
Neun Kinder sitzen gemeinsam in einer Schulklasse, an der Tafel steht eine Lehrerin und erklärt den Kindern die Gruppenaufgabe, eine zusätzliche pädagogische Assistentin wird gleich bereitstehen, die Kinder zu unterstützen.
Das klingt eigentlich nach einer idealen Klassengröße, um auf die Schüler individuell eingehen zu können. Doch diese neun Kinder in der Klasse sind eigentlich schon eines zu viel. Denn es handelt sich um eine Förderschule für Menschen mit geistiger Behinderung. Da ist eine Klassengröße bis acht Kinder vorgesehen.
Wie ist das mit den Förderschulen?
Eigentlich sollten Förderschulen die Ausnahmen sein. Das hessische Schulgesetz sieht grundsätzlich vor, Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam in der Regelschule zu unterrichten. Ob das Kind stattdessen in eine Förderschule geht, wird durch die Eltern entschieden und wird durch eine geistige Behinderung bestimmt, durch eine Lerneinschränkung und ein paar weitere Faktoren.
Kinder mit motorischen Behinderungen können meistens in Regelschulen unterrichtet werden. Für viele Eltern, deren Kinder eine geistige Behinderung haben, stellt die Förderschule spätestens nach der Grundschule die bessere Alternative dar.
Denn es gibt zu wenige Förderschullehrer für die Regelschulen. In den Studiengängen für die Regelschulen kommt Inklusion zudem fast nicht vor. Daher können Lehrer in Bezug auf Fördermaßnahmen und Differenzierung den Kindern fachlich häufig nicht gerecht werden. Zudem ist es in einer Klasse mit 30 Schülern ohnehin kaum möglich, auf die Stärken und Schwächen der Kinder einzugehen.

Verlässlichkeit schenkt Sicherheit
Ramona Kremer arbeitet als Referendarin an einer Förderschule für geistige Behinderung in Hessen. Ihr Wunsch ist es, den Kindern zu vermitteln: Du bist wertvoll, du wirst gebraucht. Viele der Schüler kommen aus Elternhäusern, die schon sehr belastet sind. Sie gehen daher gerne in die Schule. Dort wird ihr Alltag positiv gestaltet.
In den niedrigen Klassenstufen werden etwa viele Rituale etabliert: Man beginnt mit einem Morgenkreis und erklärt den Schülern den Tagesablauf. Das sei besonders für Autisten wichtig, so Kremer.
Schulstart ist 8:15 Uhr, wobei viele Kinder schon etwas früher gebracht werden. Unterrichtsende ist 14:35 Uhr. „Bis zum Mittagessen können wir alle unterrichten – danach bieten wir für die niedrigeren Klassen in der Regel freies Spiel an. In den höheren Klassen arbeiten die Jugendlichen aber auch am Nachmittag, um sie auf das Berufsleben vorzubereiten“, so Kremer.
Mehr Kinder mit Förderbedarf – zu wenig Ressourcen
Neben Schulen für Menschen mit geistiger Behinderung gibt es noch spezielle Schulen für Schüler mit starker Seh- oder Höreinschränkung. Denn diese Kinder brauchen spezielle Einrichtungen und eigens ausgebildete Lehrer. Es gibt zudem Schulen mit emotionalem und sozialem Förderschwerpunkt. Das sind vom Lehrplan her Regelschulen, in denen Förderschullehrer arbeiten.
Egal ob in Regelschule oder Förderschule, der Förderbedarf steigt seit Jahren. In Kremers Schule etwa fehlt es schon an Räumen für die vielen Kinder. Aber auch Personal gibt es zu wenig.
Kremer erlebt ihre Arbeit als herausfordernd, aber auch als sehr erfüllend. Sie kann auf die Kinder individueller eingehen als in der Regelschule und hat daher mit dem Einzelnen mehr Kontakt. Von ihren Schülern erfährt sie viel ehrliche Wertschätzung. Auch kleine Erfolge werden gemeinsam gefeiert. Und immer wieder wird sie überrascht, wenn bekannte Schemata durchbrochen werden.
Wenn Kinder Erwartungen durchbrechen
Von Autisten etwa nimmt man allgemein an, dass sie allein arbeiten wollen, weniger Kontakt suchen. Als Kremer bei einer Gruppenarbeit die Kinder zugeteilt hatte, kam ein Kind mit Autismus zu ihr und sagte: „Ich will aber nicht allein arbeiten.“ Und die Interaktion mit seinem Partner hat dann gut funktioniert.
Solche Erfahrungen wünscht sich Kremer für möglichst viele Menschen. Sie plädiert daher für so viel Inklusion in der Regelschule wie möglich. Damit die Kinder miteinander Erfahrungen sammeln und Freundschaften schließen können. Denn sie erfährt immer wieder die direkte oder indirekte Stigmatisierung ihrer Schüler. „Die Leute sehen dann nur die Behinderung, nicht den Menschen, der ist wie du und ich.“
Schon seit einigen Jahren sprechen wir Oblaten nicht mehr von „Jugendpastoral“, sondern von unserer „Mission mit der Jugend“. Das macht deutlich, dass wir gemeinsam mit den jungen Menschen missionarisch unterwegs sind.
Einer dieser jungen Menschen ist Ramona Kremer. Schon seit einigen Jahren begleitet sie uns auf unseren Fahrten mit jungen Menschen als Betreuerin und bereichert mit ihrer wertschätzenden Art unsere Mission mit der Jugend. Ramona macht gerade ihr Referendariat an einer Förderschule, wo sie – auch geprägt von unserem Charisma – mit jungen Menschen mit einer geistigen Beeinträchtigung arbeitet.
So ist Ramona auch in ihrem beruflichen Alltag als junge Missionarin mit jungen Menschen unterwegs. Man spürt, dass sie in ihrer Arbeit von einem christlichen Menschenbild geprägt ist und dass ihr die Würde der jungen Menschen sehr am Herzen liegt. Sie berichtet von den Herausforderungen und Freuden im Schulalltag und von ihrem so wichtigen Einsatz für Inklusion.